Zurück in die Vorphilazeit ? Naht das Postamt ohne Briefmarken ? 

( erschienen in philatelie 314 - August 2003)

  

> Auflistung aller in diesem Versuch eingesetzten Absenderfreistempel der Firma Frama mit Kennung >

> aktuelle Informationen der Deutschen Post AG zur Digitalmarke > 

> zum Folgeartikel über die Einführung der Digitalmarke - philatelie 318 - Dezember 2003 >

> zum Folgeartikel über die erweiterten Versuche zum Postamt ohne Einzelmarkenverkauf - philatelie 321 - März 2004 (bezüglich der Blisterverpackungen - PWZ-Gebinde) >

 

Ein Horroszenario: ein Postkunde betritt eine große Postfiliale und findet an 20, 30 oder 35 Schaltern statt der erwarteten schönen Sondermarken nur noch Label- und Freistempelmaschinen. Ist dies wirklich nur eine skurrile Vision oder sind "brasilianische Zeiten", in denen dies schon seit vielen Jahren an großen Postämtern in Rio de Janeiro und anderen Städten Alltag ist, im Anmarsch? War die Verbannung der Sondermarken aus den Postfilialen in Österreich wirklich nur eine Wahnsinnsidee marketingpubertierender Post-Yuppies oder das Menetekel an der Wand? Und sollte vielleicht gar das Orakel, ATN sind die Briefmarken der Zukunft, nach mehr als 20 Jahren wirklich eintreffen? Jürgen Olschimke, philatelie-Fachmann für moderne Postautomation, schaute einmal mehr hinter die Kulissen und verrät, was die Post-Köche in Bonn derzeit austüfteln und welche fade Suppe briefmarkenfreundliche Mitbürger vielleicht schon bald zu erwarten haben (Redaktion philatelie)

Am 28. Mai 2003 begann in 81541 München 90 am Tegernseer Platz 7 ein Vorpilotversuch, der am 7. Juli 2003 auf die Filialen 83435 Bad Reichenhall 1, 23103 Kiel 1, 16515 Oranienburg 1 und 42551 Velbert 1 ausgeweitet werden soll. Unter dem belanglosen Titel: "Maßnahmenverbund - Optimierung der Briefmarkenverkäufe in Filialen" sollen die Bedienplätze entlastet und die Wartezeiten reduziert werden.

Standardeinschreiben vom ersten Tag (28.5.2003) komplett freigemacht mittels Postfreistempelung in München 90 - bei dieser Maschine war aber die Jahreszahl falsch eingestellt und zeigt das Jahr 2002 statt dem richtigen Jahr 2003 !

 

Betrachtet man die durchgeführten Maßnahmen aber genauer und berücksichtigt die als Starprojekt angekündigten Technisierung der Briefzusatzleistungen (TBZL), so handelt es sich hier um einen Versuch mit vermutlich weitreichenden Folgen für die Philatelie, die für jedermann schon im Spätherbst 2003 sichtbar werden dürften. Dieser Artikel liefert erste Einblicke in den derzeitigen Versuch und die zu erwartenden Folgen im Spätherbst 2003.

Sammelquittung vom allerersten Tag des Versuches (28.5.2003) über Wertvorgabe Schalterverkauf aus München 90 

 

Der Vorversuch

In diesem Vorversuch (ab 28. Mai 2003) zum Versuch, beginnend am 7. Juli 2003, werden folgende Maßnahmen im Verbund angeboten und bis zum 31. Dezember 2003 getestet:

1. Durch den Einsatz von Promotoren werden Einzel-Briefmarkenkäufer verstärkt zu den Briefmarkenautomaten gelenkt - dass heißt, die Käufer sollen beim Einzelkauf von Briefmarken nicht an den Schalter, sondern zum Automat gehen. Dazu sollen die bisherigen Münzwertzeichendrucker im Laufe des Jahres teilweise umgerüstet und bedienerfreundlicher gemacht werden. Man spricht sogar davon, jede gewünschte Wertstufe ziehen zu können.

 

2. Die Ergänzung der Briefmarkenautomaten um eine elektronische Porto-Ermittlungshilfe wird angeboten. Dies bedeutet, der Kunde soll sich möglichst das Porto selbst mit entsprechenden Hilfsmitteln ausrechnen und natürlich dann am Automaten dieses kaufen.

 

3. Am Schalter werden nur noch Postwertzeichen-Gebinde wie geblisterte Zehnerbögen, Marken- und Maxi-Sets verkauft.

 

4. Die Freimachung mit Briefmarken entfällt, dafür besitzt jeder Schalter einen Absenderfreistempel, der es ermöglicht, jedes beliebige Porto in einer Summe auszuwerfen.

Brief vom zweiten Tag des Vorversuches aus München 90 - diese Absenderstempelmaschine war mit richtigen Datum ( 30.5.2003) programmiert !

 

Philatelistisch besonders interessant ist dabei, dass alle bisher mit Briefmarken freimachungsmöglichen Versendungsformen künftig dann also mit Absenderfreistempel vom Schaltermitarbeiter freigemacht werden. Sechs Wertstufen sind fest einprogrammiert, der Rest kann beliebig als Einzelfrankatur oder Zusatzfrankatur eingegeben werden. Ist die Sendung zu dick (beispielsweise Päckchen), wird ein selbstklebendes Label mit entsprechender Entgeltsumme zum Aufkleben ausgeworfen. Diese Label dürfen nicht an Kunden abgegeben werden. Sollte wieder Erwarten doch ein Kunde solch ein Label erhalten, so ist es nur an dem angegebenen Tag gültig, genauso wie Absenderfreistempel. Die Geräte werden von der Firma FRAMA geliefert, sie sind an der Kennung "A", der Postleitzahl und der Ortsangabe des entsprechenden Versuchsstandortes eindeutig erkennbar. (Anmerkung: zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Informationen zu Frankit - die Absenderfreistempel hatten noch ein klassisches Aussehen).

Kompaktbrief vom ersten Versuchstag aus München 90 ergänzt mit Label vom Absenderfreistempel am Schalter (das Datum ist hier falsch programmiert - wie der Stempel zeigt müßte es richtig lauten 28.5.2003)

 

Allerdings gibt es noch eine Besonderheit zu erwähnen. Normalerweise sind Absenderfreistempel zum Zeitpunkt des Artikels nur komplett frankaturgültig, wenn sie aus drei Teilen (Werbung, Stempel, Wertkästchen) bestehen. Für diesen Versuch wurde eine Ausnahmeregelung erlassen, so dass hier, trotz fehlenden Werbeteils, die Freimachung als gültig anzusehen ist. Auf der Quittung steht Wertvorgabe Schalterverkauf. Die Freimachung als solche ist als individuelle Postfreistempelung (heute Frankierservice) zu betrachten. Ein Kauf von Einzelmarken am Schalter ist nicht möglich. Bei einer teilweise vorhandenen Briefmarkenfrankatur und einer Zufrankierung mittels "Wertvorgabe Schalterverkauf" muss die Briefmarke mit dem Tagesstempel entwertet werden.

 

Das Starprojekt TBZL

Unter dem Begriff "Star" versteht man ein konzernzweites Programm zur Wertsteigerung. Eines dieser Teilprojekte im Rahmen des großen Starpaketes ist die "Technisierung der Briefzusatzleistung" (TBZL). In diesem Projekt werden bis Ende 2003 bundesweit neue Techniksysteme eingeführt, um für Kunden und Mitarbeiter die Abwicklung der Produkte Einschreiben und Nachnahme wesentlich zu vereinfachen. Dies fängt bei der Annahme an, dazu werden an allen Schaltern entsprechende Labeldrucker von der Firma TEC aufgestellt (siehe auch philatelie 2/2003). Diese Labeldrucker werfen entweder nur eine Freimachung mit zweidimensionalen Barcode (2-D-Barcode) und etwas Klarschrift aus (analog der PC-Freimachung) oder sie werden bei einem Einschreiben mit einem eindimensionalen Strichcode ergänzt.

Musterlabel von der Postexpo 2002 für ein Einschreiben mit Freimachung vom Gerätehersteller Zebra (die Post hat sich später für die Firma TEC entschieden)

 

In der Zustellung werden dan beispielsweise Handscanner eingesetzt. Die bisherige Postsache auf der der Strichcode vom Einschreibelabel aufgeklebt werden musste, ist dann überflüssig: die Daten können automatisch ausgedruckt beziehungsweise schnell elektronisch weitergeleitet werden. Weitere für Philatelisten interessante Details sind derzeit aber noch nicht bekannt. Allerdings könnte der Labeldrucker auch ohne Probleme Paketlabel, Postexpresslabel und Wertlabel ausdrucken; die Zukunft wird vielleicht noch manche Überraschung bereit halten.

Musterlabel von der Postexpo 2002 für ein Paket - wurde aber in der Praxis am Schalter so nicht umgesetzt 

 

Die Folgen

Beide Projekte muss man in einem eindeutigen Zusammenhang betrachten. Der Versuch in München und den anderen vier Orten simuliert nun die noch nicht vorhandenen Labeldrucker durch entsprechende Absenderfreistempelmaschinen. Dabei sollen vermutlich zum einen die Systemkomponenten am Schalter getestet werden, zum anderen untersucht werden, ob das Konzept tragfähig ist oder ob in einzelnen Details nachgesteuert werden muss.

Die Folgen für die Philatelie werden weitreichend sein. Am Schalter aufgegebene Sendungen vom Normalkunden sind nur noch mit Labeln freigemacht, es sei denn, der Kunde hat sich vorher einen Vorrat an diversen Marken angelegt und das Entgelt selbst berechnet und schon freigemacht. Ein Verkauf und ein Buchen einzelner Marken am Schalter ist nicht mehr möglich. Rollenmarken sind überflüssig, bis auf den Bedarf an Großkunden, die so etwas möchten. Einzelne Briefmarken gibt es dann nur noch am Automat oder am Sonderschalter an größeren Postämtern oder bei der Versandstelle. Die Automatenmarke ist die Dauerserie der Zukunft. Die bisherigen zwei Dauerserien Frauen und Sehenswürdigkeiten sind so gut wie überflüssig oder zumindest eine von beiden. Alternativ besteht zwar auch weiter die Möglichkeit, Briefmarken am Schalter zu kaufen, aber nur in den üblichen Gebinden per 10, 20, 30 oder auch mehr Marken. Zwar ist dies noch nicht die Vorphilazeit, in der es keine Marken gab, es geht aber scheinbar in diese Richtung!

  

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Die Standorte mit den bekannten Maschinenkennungen:

 

1. Der Standort 81541 München 90

Vorgesehen waren 11 Maschinen mit der Kennung A 223875 bis A 223885

> Nachweisbar sind bisher folgende Kennungen:

A 223875

A 223876

A 223877

A 223878

A 223879

A 223880

A 223881

A 223882

A 223885

> nicht nachgewiesen wurden bis jetzt A 223883 und A 223884

 

2. Der Standort 16515 Oranienburg 1

Vorgesehen waren 4 Maschinen mit den Kennungen A 223886 bis A 223889

> nachweisbar sind bisher folgende Kennungen:

A 223886

A 223887

A 223888

> nicht nachgewiesen wurden bis jetzt A 223889

 

3. Der Standort 83435 Bad Reichenhall 1

Vorgesehen waren 5 Maschinen mit der Kennung A 223931 bis A 223935

 > nachweisbar sind hier alle Kennungen;

A 223931

A 223932

A 223933

A 223934

A 223935

 

4. Der Standort 24103 Kiel 1

Vorgesehen waren hier 1 Maschinen mit der Kennung A 223936 bis A 223946

> nachweisbar sind hier folgende nicht geplante Kennungen:

A 223891

A 223892

und folgende geplante Kennungen:

A 223936

A 223940

A 223941

A 223942

A 223943

A 223944

A 223945

> nicht nachgewiesen wurde bis jetzt A 223937 bis A 223939

 

5. Der Standort 42551 Velbert 1

Geplant waren 6 Maschinen mit der Kennung A223947 bis A 223952

> nachweisbar sind hier folgende geplante Kennungen

A 223950

A 223951

A 223952

> nicht nachgewiesen wurden bis jetzt A 223947 bis A 223949