Mangelhafte Vernichtung: Matrixcode-Makulatur im Handel?
(erscheint in DBZ 10 - 2023 - 2.Mai 2023)
Am 11. März dieses Jahres tauchte ein Post im Diskussionsportal philaseiten auf, in dem zwei neue Marken ohne Matrixcode („Friedvolle Weihnachten“ und „Brieftaube“) vorgestellt wurden. Weitere Recherchen führten zur Verkaufsplattform Ebay sowie Ebay Kleinanzeigen. Dort wurden diese Marken sowie weitere anfangs als Einzelstücke beziehungsweise als Sechser-Set angeboten. Aufgrund der Bildanalyse des angebotenen Materials und der plötzlichen Vielfalt von einem einzigen Anbieter bestand der Anfangsverdacht, das es sich hier um Makulatur handeln könnte.
Um handfeste Beweise zu erhalten, wurden entsprechende Testkäufe durchgeführt. Das gelieferte Material untermauerte den Anfangsverdacht. Dabei hat es nun scheinbar eine der vier Druckerein, die seit 2021 Marken mit Matrixcode für die Deutsche Post herstellen, mit der Vernichtung entsprechender Matrixcodemakulatur nicht so genau genommen.
Nachträgliche Ergänzung: Es handelt sich dabei um die Druckerei Bagel Security Print, allerdings hatte diese einen Dienstleister beauftragt, die verschlossenen Behälter laut Absprache und Zertifizierung zu vernichten. Dies ist bei dem Dienstleister aber zeitweilig nicht passiert. Hier hat ein Mitarbeiter scheinbar gelegentlich Material mitgehen lassen. Diese Sicherheitslücke wurde in der Zwischenzeit geschlossen. Ob diese Firma noch weiter für Bagel arbeiten darf, ist nicht bekannt. Der entsprechende Mitarbeiter dürfte aber fristlos entlassen worden sein. Ob er oder ein Bekannter von ihm nun diese Dinge bei Ebay Kleinanzeigen und Ebay angeboten hat, ist auch nicht bekannt. Der Verkauf wurde Ende Mai gesperrt bzw. diese Acounts wurden geschlossen und entsprechende Datenspuren sind nicht mehr sichtbar.
Während anfangs aus dieser vermutlich dubiosen Quelle nur ganz wenige einzelne Stücke zu vergleichsweise hohen Preisen angeboten wurden, erhöhte sich die Angebotsmenge von Tag zu Tag, während die Preise von Tag zu Tag sanken.
Bereits zur Einführung des Matrixcodes vor zwei Jahren war am 4. Februar 2021 die erste Marke mit Matrixcode mit dem Motiv „Digitaler Wandel“ als nassklebende Ausgabe und als selbstklebende Ausgabe (Folienblatt) ohne Matrix erschienen und versehentlich verkauft worden. Am 9. Februar 2021 tauchte dann erstmals eine Meldung auf, das es bei dieser ersten Marke scheinbar Fehler bei der Produktion gegeben habe und das entsprechende Briefmarken ohne Matrixcode in den Umlauf gekommen seien.
Alle Verkaufsstellen wurden informiert, hier besonders aufzupassen und eventuelle Marken an die Deutsche Post zurück zu senden. Wieviele fehlerhafte Marken zurück geschickt wurden, ist leider nicht bekannt. Die Post hat aber verlauten lassen, das Marken mit fehlenden Matrixcode postgültig sind.
In der Zwischenzeit sind von der nassklebenden Ausgabe „Digitaler Wandel“ sechs postfrische Kleinbogen in Sammlerhänden gelangt. Diese wurden über verschiedene Auktionen verkauft. Außerdem sind einige wenige Briefe aus der folgenden Zeit sowie einige wenige gestempelte Exemplare gemeldet worden. Von der selbstklebenden Variante wurden einige wenige Folienblätter sowie einige gestempelte Exemplare gemeldet. Außerdem ist im Auktionshaus Felzmann ein Ersttagsbrief mit einer selbstklebenden Marke „Digitaler Wandel“ ohne Matrixcode versteigert worden, siehe auch die Abbildung auf dieser Seite links.
Von den folgenden Markenausgaben mit Datamatrixcode sind nur noch vereinzelte Fälle ohne Matrixcode aufgetaucht. Diese wurden nachweisbar alle – versehentlich – über verschiedene Poststellen verkauft und in der Regel über unterschiedliche Auktionshäuser versteigert.
Nachträgliche Anmerkung zu echt verkauften Marken ohne Matrixcode, wie den obigen Kleinbogen 85 Cent:
Sie können mir gerne solche Funde melden, diese werde ich als Journalist natürlich vertraulich nach dem Deutschen Presserecht behandeln - schon jetzt danke für entsprechende Meldungen
- Jürgen Olschimke - Journalist (AIJP-Mitglied)
Nachträgliche Anmerkung: Folgende Marken ohne Matrixcode aus dem normalen Postverkauf sind mit Datenstand 1. Juni 2023 bekannt: 80 Cent 50 Jahre Maus (sk), 270 Cent U-Bahnstation Frankfurt West (sk), 85 Cent Schlümpfe (nk), 70 Cent Köln (nk), 85 Cent Spidermann (nk), 160 Cent Flugdrachen (sk), 275 Cent Schreibfeder (sk)
Nachträglicher Querverweis zu einem älteren Artikel zu diesem Thema:
> philatelie 534 - Dezember 2021 - Marken ohne Matrixcode in Kiloware
Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, das ein Ganzsachenausschnitt einer 85 Cent Marke ohne Matrixcode existiert ebenso wie die bekannte 85 Cent Messeganzsache Ulm mit dem Badenfehldruck ohne Matrixcode. Die Menge der hier ohne Matrixcode ausgelieferten Ganzsachen ist nicht bekannt, grobe Schätzungen liegen bei 3000 Stück.
Nachträgliche Ergänzung zur Messeganzsache Ulm:
Zwar dürfte hier eine gewisse Menge unerkannt ausgeliefert worden sein, angeboten wurden hier aber bei Ebay bisher nur einige wenige Einzelstücke. Vermutlich liegt die eine oder andere Ganzsache dieser Art noch unerkannt in irgend einem Abo, das im Schrank vor sich her schlummert.
Matrixcodemakulatur?
Die erste neue Meldung über neue Marken ohne Code bezog sich auf selbstklebende 85 Cent „Friedvolle Weihnachten“ aus dem Jahr 2022 und 85 Cent „Brieftaube“. Neben diesem Zweierset wurde vom selben Verkäufer bereits Anfang März ein komplettes Folienblatt 85 Cent „Brieftaube“ für 300 Euro verkauft, wie eine Ebayanalyse ergab. Weitere Marken aus dieser Quelle sind die 100 Cent selbstklebend „“Briefsegler“ (Folienblatt) und die 95 Cent „Steinbock“ (Folienblatt) aus dem Jahr 2021. Eine weitere Marke, die aber bisher nicht so häufig aus der selben Quelle angeboten wurde, ist die nassklebende Marke 85 Cent „Baden Fehldruck“ aus dem Jahr 2022.
Die sechste Marke, die aus dieser - dubiosen - Quelle vereinzelt angeboten wurde, ist die nassklebende 110 Cent Marke „Zeche Zollverein“ aus dem Jahr 2023. Weitere Marken aus dieser Quelle sind angeblich nicht vorhanden. Anfangs wurden diese Marken einzeln oder teilweise in verschiedenen Zusammenstellungen angeboten.
Nachträgliche Ergänzung:
Abschließend sind nur die folgenden 6 verschiedenen Marken aus der entwendeten Matrixcode-Makulatur bekannt geworden. Einige der Marken lagen scheinbar im Dreck, den sie besitzen Feuchtigkeitsschäden (wellig) oder Dreckspuren, teilweise sind bei manchen Marken Reste von Druckbahnkennzeichnungen vorhanden:
Marke geschätzte Menge angebotene Menge
95 Cent selbstklebend (FB) Steinbock circa 50 bis 130 Stück
85 Cent selbstklebend (FB) Friedvolle Weihnachten circa 10 bis 25 Stück
85 Cent selbstklebend (FB) Brieftaube circa 50 bis 150 Stück
100 Cent selbstklebend (FB) Briefsegler circa 50 bis 150 Stück
85 Cent nassklebend Baden Fehldruck circa 5 bis 20 Stück
>>> diese Marke wurde teils mit anhängenden Leerfeld angeboten, teils ohne
>>> fast alle diese Marken besitzen deutliche Bugspuren (Knickspuren)
110 Cent nassklebend Zeche Zollverein circa 5 bis 15 Stück
In der Zwischenzeit werden die Werte 95 Cent Steinbock, 85 Cent Brieftaube und 100 Cent Briefsegler auch mehrfach als nicht sauber geschnittenes Folienblatt angeboten. Alternativ kann man aber auch Dreier- oder Vierer-Sets kaufen. Preislich waren die ersten Angebote je Stück durchschnittlich im Bereich von 150 bis 200 Euro je Marke, in der Zwischenzeit ist dieser Preis auf circa 50 Euro gesunken.
Die Folienblätter wurden anfangs für 300 Euro angeboten, nun sind die Preise auf 200 Euro gesunken. Rechnet man die Stückzahlen der letzten drei genannten Marken zusammen, die bei Ebay angeboten wurden, so handelt es sich hier circa um 80 bis 100 Marken je Motiv. Die anderen drei Motive 85 Cent „Friedvolle Weihnachten“, 85 Cent „Badenfehldruck“ und 110 Cent „Zeche Zollverein“ scheinen dagegen nur in sehr geringen Mengen von circa 10 Marken vorhanden zu sein.
Wie die Deutsche Post auf diese Sicherheitslücke bei einer der Druckereien reagieren wird, ist noch nicht bekannt.
Nachtrag dazu: Diese Sicherheitslücke wurde geschlossen, siehe erste ergänzender Nachtrag weiter oben.
Unabhängig davon wird es aus Sicht des Autors weiterhin vereinzelt Marken ohne Matrixcode geben, die unwissentlich über die Deutsche Post verkauft werden.