Pilotprojekt Barfeimachung - Mehr Postautomation
(erschienen im Briefmarkenspiegel 7/1999)
> Link zum indirekten Nachfolgeversuch - der Digitalmarke >
Am 12. April 1999 startete im Bereich der Filialniederlassungen Lörrach und Rottweil ein Betriebsversuch, um Postautomatisierung und Rationalisierung voranzubringen. Die Briefzusatzleistungen (Einschreiben und Nachnahme) sollen "verschlankt" werden. Die Folgen für die Sammler sind vielfältig.
Bereits 1909 gab es mechanische Systeme, die Einschreibebriefe automatisiert angenommen haben. Vor wenigen Jahren (1995) wurde das automatische Briefannahmesystem (ABAS) in Deutschland getestet (BMS 1/96, Seite 10 - Verlinkung erfolgt, sobald Artikel vorhanden ist). Bei diesen Versuchen handelte es sich um eine Automatisierung vor dem Schalter. Auch hinter dem Schalter wurde schon versuchsweise automatisiert. Das Schalterterminalsystem (EPOS 1. Generation 1982 - 1984) in Wiesbaden, Bonn und Hannover leistete hier Pionierarbeit (Verlinksung auch hier nach Freischaltung). Die Gebühr der Sendung wurde durch Eingabe der Daten berechnet. Allerdings wurde das Rechenergebnis benutzt, um eine passende Automatenmarke auszudrucken.
Der neue Versuch
Für die Erfassung der Einschreibebriefe müssen alle Sendungsdaten eingegeben werden. Diese Daten dienen bisher nur der Sendungsverfolgung und für den Ausdruck des Einlieferungsscheines. Jetzt werden diese Daten auch benutzt, um die Gebühr zu berechnen. Der Einschreibaufkleber wurde um einen 2,8 Zentimeter weißes Feld erweitert. Die berechneten Gebühren werden auf diesem Feld vermerkt (BMS 6/99, Seite 22). Der spezielle neue Einlieferungsschein dient gleichzeitig als Quittung.
Der Vorgang wird daher einfacher. Das Zusammenstellen der passenden Briefmarken, das Kleben, das Erstellen einer Extra-Quittung, das Bestellen und Verwalten der benötigten Briefmarken entfällt. Die Vorteile für die Post liegen also auf der Hand. Bedingt durch die Einführung neuer Postcomputer und die Anpassung an die Jahr-2000-Umstellung, wird der Versuch vermutlich im Herbst 1999 oder Frühjahr 2000 auf ganz Deutschland ausgedehnt.
Abzusehen ist aber schon heute, daß der Versuch mit leichten Änderungen (der weiße Teil soll abtrennbar sein) erfolgreich für die Post beendet wird. Es gibt zwar wieder Einschreibaufkleber mit Ortsangabe, aber zukünftige Einschreibebriefe werden nur noch selten mit Briefmarken frankiert sein.
Aktuelle Anmerkung aus heutiger Sicht (Mai 2011): Dieser hier beschriebene Versuch dürfte sicherlich auch in die Konzeption der Digitalmarke eingeflossen sein. Dort werden zwar nicht nur die Schaltersendungen möglichst mittels Barfreimachung versehen, sondern auch die normalen Briefe und Versendungsformen, aber bis auf das Aussehen des Freimachungsvermerkes selbst hat sich bezüglich des Prinzip der direkten Erfassung am Schalter und gleichzeitiger Portoberechnung nichts geändert.
Versuchsdetails
Drei Freimachungsvarianten sind möglich. Die komplette Barfreimachung, die Teilbarfreimachung und die komplette Freimachung mit Briefmarken.
Teilbarfreimachung bedeutet etwa, ein Plusbrief (Ganzsache) soll als Einschreiben verschickt werden.
Hier besteht aber auch die Möglichkeit, einen schon teilweise frankierten Brief als Einschreiben zu versenden. Der Postler hat die Möglichkeit, den schon vorhandenen Freimachungsbetrag in Pfennig anzugeben. Damit man Einschreiben über das neue Verfahren bearbeiten lassen kann, die schon komplett freigemacht sind, muß die erste Frage negativ beantwortet werden, sonst erhält man den bisherigen Vermerk.
Weiter werden zwei verschiedene Einlieferungsscheine getestet. In der Niederlassung Rottweil befinden sich die Versuchseinlieferungsscheine nur hinter dem Schalter. Im Bereich der Niederlassung Lörrach liegen die Scheine auch in den Informationsständern vor dem Schalter aus. Erkennbar sind diese an den roten Rahmen und einem leicht geänderten Text (BMS 5/99, Seite 23).
Zusätzlich besitzen alle Einlieferungsscheine drei unterschiedliche Strichcodes. Werden diese gescannt, gelangt der Postbeamte sofort in die entsprechende Computermaske; etliche manuelle Eingaben entfallen somit.
Spätere Ergänzung: Im Mai 2000 tauchten neue Einlieferungsscheine für den Pilotversuch auf, die keinen roten Rand trugen, dafür aber durch eine Perforation zwischen Label und EPOS-Feld sowie einer Beschriftung "BITTE NICHT ABTRENNEN" über dem Label auffielen. Die Nummern sind ab 87 9521 87 9595 bekannt.
Interessant aus philatelistischer Sicht sind die drei Großannahmeschalter der Briefzentren 79 (Freiburg), 77 (Offenburg) und 78 (Villingen-Schwenningen) sowie besonders die Postfiliale Büsingen (Sondertarife in die Schweiz).
Ergänzungen zu dem abgebildeten Brief aus Büssingen:
Wie schon in der Bildunterschrift kurz erwähnt, gelten für Sendungen aus Büssingen in die Schweiz andere Bedingungen, als beim Versand nach Deutschland. Dazu gab es auch gesonderte Gebührenhefte der Deutschen Post AG zum ZAG Büssingen. Die Preise dort sind in Schweizer Franken angegeben. Da man dort nicht nur mit Schweizer Franken sondern auch alternativ mit DM am Postschalter bezahlen kann, erfolgt die Umrechnung der Gebühren von Schweizer Franken in DM zum aktuell ausgehängten Umtauschkurs. Falls im Mai 1999 das mir vorliegende Gebührenheft vom ZAG Büssingen noch gegolten hat, so kostete obiger Brief (bis 250 Gramm 0,90 Franken für A-Post (hier gelten also die Formate und Gewichtsstufen der Schweiz, obwohl es sich um Deutschland handelt !) und das Einschreiben kostet 5 Franken zusammen also 5,90 Franken - gezahlt und eingedruckt wurden 6,00 DM - egal wie der Kunde bezahlt hat.
Weitere Ergänzung zum Artikel - hier zum Ende des Versuchs: Am 27. September 2000 teilte die Filialniederlassung Freiburg den Filialen und Postagenturen durch das Hinweisblatt Nr. 30003 mit, dass "Der Pilot Barfreimachung" von BZL-Sendungen (Briefzusatzleistungen) im Bereich der Niederlassung Filialen Freiburg (vormals Niederlassung Lörrach und Rottweil) mit der EPOS-Version 21 vorzeitig beendet wird. Mit Wirkbetriebsaufnahme der Version 21 (voraussichtlich zum 21.11.2000) wird die VGA 1151/PBAR gesperrt und die VGA 1150/PP wieder freigeschaltet".
Als Grund für das vorzeitige Ende des Pilotversuches stehen die verhältnismäßig hohen Kosten der Fertigung der kombination Label/Einlieferungsschein.