Das alte „neue“ Nachentgeltlabel

 

(Vorabveröffentlichung - erscheint in philatelie 536 - Februar 2022)

 

In der Dezemberausgabe 2015 der philatelie hatte der Autor erstmals über Versuche berichtet, den bisherigen Blaustiftvermerk, der ein entsprechendes Nachentgelt auf dem Umschlag dokumentiert, so hervorzuheben, das dieser auch tatsächlich vom Zusteller für die Deutsche Post erhoben wird. Dazu lief im Frühjahr 2014 für einige Wochen ein erster bundesweiter Versuch, der allerdings nicht sehr erfolgreich war.

 

Ein Jahr später folgte im Bereich des BZ 40 und BZ 41 ein neuer kurzer Versuch in dieser Richtung. Er war erfolgreich und sollte ab dem 1. Juli 2016 bundesweit umgesetzt werden. Wenige Tage vor der Umsetzung verließ aber irgend jemandem Verantwortlichen in der Zentrale der Mut zur Umsetzung, man zog den Stecker und das tolle Konzept verschwand im tiefen Keller des Posttowers.

Hier eines der ersten neuen Nachentgeltlabel vom BZ 02 (das dritte Label) mit der ergänzenden Kennung 400 nach dem DE für Standard- und Kompaktbriefe
Hier eines der ersten neuen Nachentgeltlabel vom BZ 02 (das dritte Label) mit der ergänzenden Kennung 400 nach dem DE für Standard- und Kompaktbriefe

Nach etlichen weiteren Millionen Einnahmeverlusten hat scheinbar dort jemand aufgeräumt und dabei das sehr interessante Konzept wieder gefunden, wiederbelebt und tatsächlich Ende Oktober 2021 in leicht angepasster Version bundesweit eingeführt, frei nach dem Motto „Was lange währt, wird endlich gut“. Im folgenden Artikel wird dieses alte neue Konzept erläutert und vorgestellt.

 

Einführung

 

Die Kontrolle des Portos bei einer Postbeförderung gibt es schon von Anfang an. In den letzten Jahren gibt es für mangelhaft frankierte Inlandssendungen zwei verschiedene Optionen. Dies hängt davon ab, ob ein Absender vorhanden ist oder nicht. Ist er vorhanden, wurde und wird der Brief in der Regel mit einem gelben Zettel an den Absender zurück geschickt. Auf dem Zettel ist die fehlende Summe vermerkt. Frankierte Teilbeträge werden dabei anerkannt.

 

Jahrelang wurde dieser Zettel per Hand ausgefüllt. Der Text des Zettels war immer gleich. Seit circa 15 Jahren werden diese Zettel mittels Labeldruckern auf gelben Aufklebern ausgedruckt. Je nach Vorfall ist der passende Informationstext etwas unterschiedlich gestaltet. Der Zettel selbst besteht aus zwei Teilen, der rechte schmale Teil ist stark klebend und senkrecht beschriftet mit Deutsche Post und dem Posthorn sowie unten in sehr kleiner Schrift der Versionsnummer der verwendeten Software.

 

Auf dem großen linken nur leicht klebenden Teil wird der Kunde über das fehlende Entgelt und die Handhabung informiert. Außerdem sind passend zum jeweiligen Fall die entsprechenden Maße und Preise in Kurzform gelistet. Ganz unten erscheint der Ort, an dem die Sendung entsprechend bearbeitet wurde (beispielsweise „Ihr Briefzentrum Wiesbaden“).

 

Die zweite Variante wurde und wird in der Regel dann benutzt, wenn kein Absender sichtbar ist. In diesem Fall wird das fehlende Nachentgelt mittels Blaustift auf der Sendung vermerkt. Dies ist postalisch betrachtet, die alte Variante. Der Zusteller soll dann diesen Betrag kassieren. Der Betrag selbst setzt sich seit etlichen Jahren aus dem fehlenden Entgelt und dem sogenannten Einziehungsentgelt zusammen. Beides zusammen ist mit Blaustift auf der Sendung vermerkt. Eine zusätzliche Währungsangabe erfolgt selten. Aktuell würde es beispielsweise bei einem nicht frankierten Großbrief bedeuten, fehlendes Porto in Höhe von 155 Cent plus Einziehungsentgelt in Höhe von 200 Cent zusammen also 355 Cent, die mittels Blaustift als 355 auf der Sendung vermerkt werden.

 

Beide erwähnten Varianten werden beim Briefabgang im jeweiligen Briefzentrum von den dortigen AGB-Prüfern bearbeitet. (AGB = Allgemeine Geschäftsbedingungen). Dieses System hat früher immer gut funktioniert, da der Zusteller ja alle Sendungen beim Sortieren für seinen Zustellgang nochmals in die Hand nehmen musste. Diese manuelle Kontrolle wurde aber durch Gangfolgesortiermaschinen schrittweise abgeschafft. Die Gangfolgesortiermaschinen sortieren heute vollautomatisch die Post für den Zusteller so wie er laut Computerberechnung am kürzesten durch seinen Zustellbezirk laufen muss.

 

Diese Maschinen sind zwar in der Lage Einschreiben und Nachnahmen zu erkennen und separat für den Zusteller auszusteuern. Sie sind aber nicht in der Lage handgeschriebene Blaustiftvermerke zu lesen und diese separat auszusteuern, sodass der Zusteller diese auch vorher erkennt und informiert wäre, wo er Nachentgelt erheben soll. Die Folge ist, dass die mittels Blaustift ausgeworfenen Beträge vom Zusteller meistens eher nur durch Zufall kassiert werden, wie die tägliche Postpraxis zeigt, und der Post hier jedes Jahr Millionen verloren gehen.

 

Beim ersten bundesweiten kurzen Versuch im Frühjahr 2014 sollten nun die AGB-Prüfer zusätzlich einen dunkelblauen Hinweiszettel für den Zusteller aufkleben, damit er diese Sendungen leichter erkennt und das fehlende Entgelt kassiert. Wie soll aber eine Gangfolgemaschine diesen Aufkleber erkennen?

Standardbrief vom 15. Mai 2014 ohne Frankatur, versehen mit Blaustiftvermerk 111 (60 Cent fehlendes Porto plus 51 Cent Einziehungsentgelt) sowie den blauen Versuchsaufkleber aus der ersten Versuchsphase
Standardbrief vom 15. Mai 2014 ohne Frankatur, versehen mit Blaustiftvermerk 111 (60 Cent fehlendes Porto plus 51 Cent Einziehungsentgelt) sowie den blauen Versuchsaufkleber aus der ersten Versuchsphase

Daher dürfte es kein Wunder gewesen sein, das dieser Versuch gescheitert ist. Der Folgeversuch dagegen war sehr gut durchdacht, die Nachentgeltsendung wurde durch einen neuen Aufkleber in Nachnahmeform zu einer nachzuweisenden Sendung, die von den Gangfolgesortieranlagen automatisch aussortiert werden konnte.

 

Der Zusteller konnte diese speziell vorsortierten Sendungen gut in seinen Zustellgang integrieren, genauso wie die anderen nachweispflichtigen Sendungen. Obwohl dieses Konzept nur kurze Zeit im BZ 40 und BZ 41 pilotiert wurde, war es sehr erfolgreich. Daher sollte alles zum 1. Juli 2016 bundesweit eingeführt werden.

C5-formatiger Großbrief unfrankiert eingeliefert, gestempelt mit einen Handrollstempel vom Briefzentrum 41 am 19. Oktober 2015 und versehen mit dem seltenen Testlabel Nachentgelt in Form einer Nachnahmesendung sowie eines Benachrichtigungslabels
C5-formatiger Großbrief unfrankiert eingeliefert, gestempelt mit einen Handrollstempel vom Briefzentrum 41 am 19. Oktober 2015 und versehen mit dem seltenen Testlabel Nachentgelt in Form einer Nachnahmesendung sowie eines Benachrichtigungslabels
Die passende Quittung für das Nachentgelt mit der Nummer NT 43 726 869 7DE 300 dazu von der Kundenseite her mit Datum 21. Oktober 2015, die vom Kunden unterschrieben werden musste – hier ist an keiner Stelle von einem Nachentgelt die Rede, das der Kunde tatsächlich zahlen musste
Die passende Quittung für das Nachentgelt mit der Nummer NT 43 726 869 7DE 300 dazu von der Kundenseite her mit Datum 21. Oktober 2015, die vom Kunden unterschrieben werden musste – hier ist an keiner Stelle von einem Nachentgelt die Rede, das der Kunde tatsächlich zahlen musste

Irgend einem Bedenkenträger in der Zentrale war das sehr interessante Konzept aber wohl suspekt und alles wurde gestoppt und in irgend einem Archiv tief im Keller des Posttowers zu den Akten gelegt.

 

Die Einnahmeverluste wurden nur buchungstechnisch erfasst und verwaltet. Zwar wäre bei der Einführung erst einmal ein gewisser Mehraufwand entstanden, sobald aber jeder Kunde verstanden hätte, das er Briefe nicht umsonst befördern lassen kann, hätte sich dieser Mehraufwand schnell von selbst erledigt. Die Kunden hätten sich dann immer bemüht sein, die Sendung richtig zu frankieren und die Deutsche Post hätte diese Entgelte auch real eingenommen.

 

Das neue Verfahren

 

Ende Oktober 2021 informierte ein Zusteller den Autor, das es nun ab dem 25.10.2021 neue Nachentgelt-Label geben solle. Der Prozeß für die Zusteller wäre in der Handhabung nahezu identisch zu dem Produkt Nachnahme. Wenn der Empfänger die Annahme verweigert, gehen die Sendungen zum Absender zurück. Erste Versuche des Autors nun solche neuen Nachentgelt-Label zu erhalten schlugen fehl, ein Nachentgelt wurde nicht ausgeworfen und auch nicht erhoben.

 

Anfang Dezember erhielt der Autor dann aber einen ersten Scan von einem solchen Beleg, bearbeitet am 10.11.21 im BZ 78. Weitere Recherchen erfolgten. Diese ergaben, das die neuen Label scheinbar erst schrittweise Mitte November oder auch sogar erst Anfang Dezember an die jeweiligen Briefzentren ausgeliefert wurden. Für die Umsetzung wird ein zweiter parallel geschalteter Labeldrucker benötigt, der nur mit diesem neuen Vordrucken mit dem blauen Dreieck mit der Inschrift „Nachentgelt“ ausgestattet ist. Der komplette Rest des neuen Labels wird je nach Vorgang unterschiedlich dazu gedruckt.

Hier eines der ersten neuen Nachentgeltlabel vom BZ 02 (das dritte Label) mit der ergänzenden Kennung 400 nach dem DE für Standard- und Kompaktbriefe
Hier eines der ersten neuen Nachentgeltlabel vom BZ 02 (das dritte Label) mit der ergänzenden Kennung 400 nach dem DE für Standard- und Kompaktbriefe

Der Betrag settzt sich zusammen aus dem fehlenden Entgelt und dem Einziehungsentgelt ( + 70 bei Standard- und Kompaktbriefen, + 200 bei Großbriefen). Der Strichcode besteht aus 16 Stellen beginnend mit dem Nummernkreis „BA“ gefolgt von einer zweistelligen Zahl (dem jeweiligen Briefzentrum), gefolgt von einer sechsstelligen fortlaufenden Zählnummer, ergänzt um eine Prüfziffer. Es folgt noch das Länderkürzel „DE“ für Deutschland und anschließend eine ergänzende dreistellige Kennung.

Ein Standardbrief ohne Briefmarke aus dem Bereich des BZ 84, bearbeitet am 17.12.2021 mit dem Nachentgeltlabel mit der fortlaufenden Nummer 842 und der Kennung 400 nach dem DE, weiter ist oben noch das Benachrichtigungslabel des Zustellers für diese Sendung aufgeklebt
Ein Standardbrief ohne Briefmarke aus dem Bereich des BZ 84, bearbeitet am 17.12.2021 mit dem Nachentgeltlabel mit der fortlaufenden Nummer 842 und der Kennung 400 nach dem DE, weiter ist oben noch das Benachrichtigungslabel des Zustellers für diese Sendung aufgeklebt

Hier sind bisher zwei Varianten bekannt, 400 – bisher nur bekannt bei Standard- und Kompaktbriefen, 450 bisher nur bekannt bei Großbriefen. Bei der Gangfolgesortierung werden diese Label gesondert ausgesteuert, sodass der Zusteller sie vor seinem Verteilgang über sein Handscanner erfassen kann.

C5-formatiger Großbrief, nur teilweise mit zweimal 60 Cent frankiert, in der Briefordnerei des BZ 79 wurde festgestellt, dass hier noch 35 Cent fehlen, daher wurde die Sendung mit dem neuen Nachentgeltlabel versehen - es war die 1832 Sendung, die mit diesem neuen Verfahren erfasst wurde – nach dem DE sieht man hier die ergänzende Kennung 450 sowie oben das Benachrichtigungslabel des Zustellers aus Kelkheim
C5-formatiger Großbrief, nur teilweise mit zweimal 60 Cent frankiert, in der Briefordnerei des BZ 79 wurde festgestellt, dass hier noch 35 Cent fehlen, daher wurde die Sendung mit dem neuen Nachentgeltlabel versehen - es war die 1832 Sendung, die mit diesem neuen Verfahren erfasst wurde – nach dem DE sieht man hier die ergänzende Kennung 450 sowie oben das Benachrichtigungslabel des Zustellers aus Kelkheim

Bedingt durch die aktuellen Coronaregeln, sollen Briefträger derzeit keine Gelder einziehen, dazu gehört auch das Nachentgelt. Die jeweilige Sendung wird daher schon vor dem Zustellgang mit einem Benachrichtigungslabel versehen. Zusätzlich wird aus dem Handscanner ein zweites Label für eine Benachrichtigungskarte ausgedruckt, die im Briefkasten eingeworfen wird. Der Empfänger kann diese benachrichtigte Sendung am nächsten Tag bei der angegebenen Postfiliale abholen.

Für die Benachrichtigung des Empfängers am 17. Dezember 2021 wurde dieses Standardformular in Postkartenform beklebt mit den Daten der Sendungsnummer, der Öffnungszeit und dem Grund im Briefkasten eingeworfen
Für die Benachrichtigung des Empfängers am 17. Dezember 2021 wurde dieses Standardformular in Postkartenform beklebt mit den Daten der Sendungsnummer, der Öffnungszeit und dem Grund im Briefkasten eingeworfen

Hier gibt es aber scheinbar noch einige kleinere Softwareabstimmungsprobleme, den der Mitarbeiter kann diese Sendung nicht einfach scannen, sondern muss fast alle Daten noch händisch eingeben. Eventuell wird dies mit dem Softwareupdate zum Jahreswechsel in Verbindung mit der Portoänderung angepasst und eingepflegt. Damit ist nun eine genaue Kontrolle dieser Entgelte möglich, denn die Sendungen können nicht einfach so in den Briefkasten eingeworfen werden. Würde der Zusteller dies machen, hätte er am Feierarbend ein entsprechendes Minus in seiner Zustellabrechnung.

Die Quittung vom Schalter beim Auslösen der Nachentgeltsendung, eine passende Sendungsnummer wird derzeit noch nicht vom Schalterterminalsystem erfasst, weiter ist auch keine Unterschrift erforderlich
Die Quittung vom Schalter beim Auslösen der Nachentgeltsendung, eine passende Sendungsnummer wird derzeit noch nicht vom Schalterterminalsystem erfasst, weiter ist auch keine Unterschrift erforderlich

Natürlich kann der Empfänger wegen dem Nachentgelt die Annahme der Sendung verweigern. Diese geht dann zurück an den Absender, da dieser aber in diesen Fällen oft nicht vorhanden ist, werden die Belege nach Marburg zur amtlichen Öffnung weitergeleitet. Werden bei der amtlichen Öffnung entsprechende Absenderangaben gefunden, so geht die jeweilige Sendung an den Absender zurück. Er erhält seine Sendung dann aber nur, wenn er vorher das Nachentgelt bezahlt hat. Dies dürfte ihm dann eine Lehre sein, ordentlich zu frankieren.

 

Resümee

 

Es ist erstaunlich, das sich auf diesem Sektor nach so langen Jahren doch noch etwas bewegt. Vermutlich waren die so entstandenen Einnahmeverluste in Millionenhöhe doch keine „Penauts“ mehr. Mit der Einführung dieses Nachentgelt-Labels wurden endlich auch für Inlands-Einschreibesendungen eine Nachentgeltbearbeitung erlaubt. Dies war vorher nur für Auslandseinschreiben möglich. Der Hintergrund hier dürfte sein, das ja immer mehr Einschreiben nicht mehr am Schalter erfasst beziehungsweise auch auf portogerechte Freimachung kontrolliert werden konnten.

 

Aufgrund der derzeitigen Coronaregeln müssen diese neuen Sendungen allerdings automatisch für den Schalter benachrichtigt werden, da der Zusteller derzeit keine Nachentgelte einziehen darf. Wenn sich hier der Anfangswirbel gelegt hat, dürfte es aus Sicht des Autors zukünftig nur noch wenige solcher Sendungen mit falschen Entgelt geben, da diese nun eingeführten Maßnahmen eine abschreckende Wirkung haben dürften.

 

 

Nachträgliche Ergänzung: Das Aussehen der Label hat sich seit Anfang Januar schon wieder leicht geändert, nun ist immer auch noch die aktuelle Softwareversion hinter dem Posthorn in kleiner Schrift zu finden.