Der Wurstbrief
(erschienen in der philatelie 358 - April 2007)
> Link zum Folgeartikel - "Der Wurstbrief - Teil 2: Die Wahrheit"
Am 1. Januar 2008 wird das Monopol, daß noch in einigen Teilbereichen gilt, endgültig gefallen sein, dann steht die Deutsche Post AG im vollen Wettbewerb zu den vielen anderen Briefzustelldiensten. Um für diesen zukünftigen Wettbewerb gerüstet zu sein, bereiten sich nicht nur die Wettbewerber, sondern auch die Deutsche Post AG auf den Tag X, den 1. Januar 2008 vor. Eine der vielen Maßnahmen ist eine teilweise Neuorganisation in der Zentrale der Deutschen Post AG im Briefbereich. Parallel dazu laufen natürlich auch schon diverse Pilotversuche, um je nach endgültigen Randbedingungen für alle möglichen Fälle gerüstet zu sein. Beispiele dafür sind die Versuche mit den Postpoints, die Briefstation, der Briefkasten für Pakete (Postbox), der Plusbrief mit der individuellen Freimachung oder der lange verheimlichte Versuch mit dem "Wurstbrief". Was es nun mit diesem Pilotversuch auf sich hat, versucht dieser Artikel etwas zu beleuchten.
Pilotphase
Wie leider fast immer bei Versuchen üblich, ist die Deutsche Post AG bezüglich der näheren Informationen mehr oder weniger stark zurückhaltend, um Hintergründe und Details bekannt zu geben. Selbst bei einer erweiterten Pilotphase werden häufig noch keine Details zum Versuch veröffentlicht. Besonders bei diesem kreativen neuen Produkt für den zukünftigen liberalisierten Werbemarkt, wollte weder der zuständige Produktmanager noch die Pressestelle in Bonn näheres bekanntgeben. Trotzdem ist es hier gelungen doch erstes Licht ins Dunkel des neuen Produktes "Wurstbrief" zu bringen.
Der erste entscheidende Tipp dazu kam von einem Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Briefpostautomation aus dem Nürnberger Raum, dem ein nicht kodierter Brief aus einer durchsichtigen glatten Kunststoffhülle auffiel, in die luftdicht ein Brief eingeschweißt war. Frankiert war dieser Brief mit einer selbstklebenden Marke Karl Friedrich Schinkel und sauber gestempelt mit einem Tages- oder Hammerstempel Briefzentrum 90 vom Juni 2006. Kurze Zeit später fanden vom 12. Juli bis zum 13. Juli in Nürnberg die siebten Mailingtage 2006 statt. Hier konnte man sich über neueste Entwicklungen zu Werbesendungen informieren. Das fing beispielsweise an bei Papierherstellern, ging weiter über Hersteller von Briefumschlägen aller Art und Formen mit und ohne Fenster oder vielen Fenstern vorne hinten oben oder unten. Vertreten waren aber auch Frankiermaschinenhersteller, diverse Postunternehmen aus Europa und Deutschland, Letterschops oder Druckereien, die ihre Dienste anboten. Als Rahmenprogramm zu dieser Messe fanden diverse Vorträge rund um das Thema statt. In einem dieser Vorträge wurde am Rande auch der "Wurstbrief" erwähnt.
Weitere Recherchen ergaben dann, das im Raum Nürnberg ein kleiner Pilot mit dem neuen Produkt Wurstbrief läuft, der in einer zweiten Phase ab dem 1. April 2007 flächendeckend in ganz Deutschland getestet werden soll. Ansprechpartner sind hier die zuständigen 30 Direktmarketingcenter der Deutschen Post AG, die schwerpunktmäßig die Zielgruppe der kleinen und mittelgroßen Firmen betreuen. Hier findet man kompetente Fachleute rund um das Thema Geschäftspost und erhält Unterstützung für wirkungsvolle Kundenaktionen wie beispielsweise den "Wurstbrief".
Der Brief selbst
Wie nun sieht dieser Brief aus und worin unterscheidet er sich von den bisherigen Briefen, werden Sie sich sicherlich fragen. Wie der Name "Wurstbrief" schon vermuten läßt, enthält dieser tatsächlich in der Regel ein Stück leckere Wurst (Salami) in Scheibenform, liebevoll designt als Herzchen oder als Smilie oder als Tannenbaum oder nach Kundenvorlage. Diese wird vakuumverschweißt auf einen weißen oder farbig schön gestalteten Papierträger gelegt, der vorher per Computer individuell je nach Werbeaktion für eine gezielte Einzelwerbung oder aber auch ein größeres Werbemailing beschriftet worden ist und nun erneut vakumverschweißt wird. Fertig ist der Wurstbrief, es fehlt nur noch die selbstklebende Marke, der Gang zum Briefkasten und ab geht die Post zum Empfänger. Je nach Gewicht kann es sich um einen Standardbrief, einen Kompaktbrief oder oft auch einen Großbrief handeln. Unter bestimmten Voraussetzungen ist sogar eine Infobriefversendung möglich.
Philatelistische Spuren
Wie man diese neue Produktart sammeln und archivieren kann, ist mir derzeit aber noch nicht klar. Ich lagere meine Wurstbriefe zur Zeit im Kühlschrank, aber auf Dauer dürfte der Platz doch zu eng werden. Ob alternativ eine regelmäßig überwachte Kühlbox ausreicht, soll in den nächsten Tagen in einem halbjährigen Test ausprobiert werden. Vielleicht bietet ja der Zubehörhandel bald spezielle kühlbare Alben für den Wurstbrief an. Wie empfindlich der Wurstbrief in einer Ausstellungssammlung reagieren würde, da hier mehr oder weniger starke und längere Hitzeeinstrahlung durch die Beleuchtung erfolgt, müßte auch noch in einer Versuchsreihe ermittelt werden. Nicht berücksichtigt wird dabei bisher, ob dieses Produkt den Ausstellungsrichtlinien des Bundes Deutscher Philatelisten entspricht oder ob hier erst gewisse Modifikationen vorgenommen werden müssen. Für Anregungen aus dem Leserkreis zu diesem schwierigen Thema bin ich jederzeit dankbar.
Ergänzung im Februar 2014
Beim einstellen dieses Artikels auf der Homepage wurden die Wurstbriefe aus dem Jahr 2006 erneut gescannt und für diese Homepage erfasst. Die Briefe sind immer noch sehr gut erhalten, haben aber seit dem Jahr 2006 sicherheitshalber im Kühlschrank gelegen. Wie sich die Wurstbriefe außerhalb des Kühlschranks über die Jahre gehalten hätten, kann leider nicht festgestellt werden - aber vielleicht hat hier ja irgend ein Leser diesbezüglich entsprechende Erfahrung.