Poststempel von Gegangenenlagern im 1. Weltkrieg
(Vorabveröffentlichung - erscheint in philatelie 447 - September 2014)
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Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg. Er hat in ganz Europa viel Leid gebracht und vielfältige Spuren hinterlassen. Viele Soldaten starben für ihr Land. Hatte man das "Glück" in Gefangenschaft zu geraten, so bestand eine größere Chance diesen Krieg zu überleben. Um diese Menschenmengen von Gefangenen zu bewachen und zu versorgen, wurden viele kleine und große Gefangenenlager in ganz Europa benötigt. Speziell in Deutschland wurden dabei auf vielen Truppenübungsplätzen entsprechende Kriegsgefangenenlager eingerichtet.
Aber auch an vielen anderen Orten entstanden entsprechende Lager. (Nachträgliche Ergänzung: Laut Wikipedia gab es in Deutschland 95 Mannschaftslager und 80 Offizierslager, in denen zusammen etwa 2,5 Millionen Mann untergebracht waren. Eine entsprechende Liste dieser Kriegsgefangenenlager vom 1. Weltkrieg finden Sie bei Wikipedia, wenn Sie diesem Link folgen). Sehr wichtig für die Gefangenen war es dabei, ein Lebenszeichen an die Angehörigen zu schicken und den Kontakt bis zum Ende des Krieges aufrecht zu erhalten. Es sind die vielfältigsten Spuren postalischer Art vorhanden, die diesen Teil der Geschichte bis heute belegen. Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt nun auf jenen Gefangenenlagern, die einen Poststempel mit entsprechender Angabe „Lager“ oder „Gefangenenlager“ oder sogar „Kriegsgefangenenlager“ besaßen.
Truppenübungsplätze mit der Zusatzangabe „Lager“
Zu Zeiten des Kaiserreichs in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden systematisch Übungsflächen für das Militär gesucht und viele Schießplätze, Truppenübungsplätze oder Lager gebaut. Je nach Größe waren hier anfangs nur zeitweilig geöffnete Postämter, später dann ganzjährig geöffnete und betriebene Postämter vorhanden. Oft wurden diese mit passenden Tagesstempeln versehen, die zusätzlich zur Ortsangabe noch den Zusatz „Schießplatz“ (Beispiel Wahn) oder „Truppenübungsplatz“ (Beispiel Heuberg) oder „Übungsplatz“ (Beispiel Neuhammer) oder „Lager“ (Beispiel Hammelburg) erhielten. Die Angabe „Lager“ bezieht sich hier aber nicht auf ein Gefangenenlager sondern auf das Lager der Militärs.
An diesen Orten waren während des Ersten Weltkriegs in der Regel aber auch entsprechende Kriegsgefangenenlager eingerichtet. Diese vorhanden Poststempel wurden selten auf den entsprechenden Kriegsgefangenensendungen abgeschlagen. Vorhanden sind eher entsprechende Briefstempel von der Zensur wie beispielsweise „Postprüfungsstelle Kriegsgefangenenlager Hammelburg“ oder „Geprüft Kommandantur Wahn-Schießplatz“.
Je größer das Gefangenenlager war, desto mehr unterschiedliche Brief- und Zensurstempel konnten im Laufe des Krieges vorkommen. Bei den Belegen handelt es sich sehr oft um Postkarten unterschiedlichster Art. Teilweise wurden bei größeren Lagern sogar entsprechende spezielle Vordruckkarten „Kriegsgefangenensendung“ aber auch spezielle Vordruckbriefe wie „Kriegsgefangenenpost Rückantwortbrief“ gedruckt und eingesetzt. Eine interessante vorgedruckte Karte vom Truppenübungsplatz Heuberg stammt vom 2. Oktober 1919. Da war der Erste Weltkrieg zwar schon vorbei, aber die Kriegsgefangen waren noch nicht alle zu Hause.
Es gab in Heuberg zu diesem Zeitpunkt ein Durchgangslager für heimkehrende deutsche Kriegsgefangene. Auf der Rückseite wird die Heimkehr aus der Kriegsgefangenenschaft angekündigt. Für Heimatsammler aber auch postgeschichtlich interessierte Sammler bietet sich hier ein reichhaltiges Forschungsfeld an.
Poststempel mit Angabe „Lager“
Richtige Poststempel mit der Angabe „Lager“ - bezogen auf ein Gefangenenlager - sind dem Autor aus der Zeit des Ersten Weltkriegs bisher nur drei Orte bekannt. Es handelt sich um Bayreuth, um Puchheim in Bayern und um Celle. Die Informationen zu allen drei Lagern sind im Internet sehr spärlich. Bezüglich des Poststempels „Bayreuth (Lager)“ liegt dem Autor nur eine Literaturmeldung der Arge Bayern vor. Danach soll das Kriegsgefangenenlager in Bayreuth vom Juli 1918 bis zum März 1919 existiert haben.
Von "Puchheim Lager" gibt es verschiedene Ansichtskarten. Auf einer dieser Ansichtskarten ist der Lagereingang und ein Teil des Geländes zu sehen. Man erkennt viele Baracken, es kann sich also um kein kleines Lager gehandelt haben.
Den Poststempel gibt es laut der Arge Bayern zwei Hauptvarianten. Bei der ersten lautet die Ortsangabe „Puchheim Lager“ ohne Klammern um das Wort Lager. Im zweiten Fall befinden sich um das Wort Lager noch Klammern, weiter soll es hiervon laut Literatur zwei Untervarianten geben. Das Lager hat laut der Arge Bayern vom April 1916 bis zum August 1922 existiert. Bekannt ist außerdem mindestens ein Zensurstempel „Kriegsgefangenenlager – Gef.-Lager Puchheim, F.a.“
Bezüglich Celle ist die Informationslage sehr begrenzt. Celle ist eine selbstständige Stadt und Kreisstadt in Niedersachsen. 1842 wurde dort die Cambridge-Dragoner-Kaserne erreichtet. Vermutlich aus diesem Grunde wurde im 1. WK in Scheuen bei Celle ein Kriegsgefangenenlager errichtet. Bekannt sind hier zwei verschiedene Poststempel mit der Angabe „Celle 3 (Lager)“ ohne und mit Unterscheidungsbuchstaben (UB).
Weiter liegt ein Einschreiben in Kopie mit einen passenden R-Zettel „Celle 3 (Lager)“ vor. Die Laufzeit des Stempels ohne UB ist bisher vom 3. Januar 1916 bis zum 18. Juli 1919 nachweisbar. Der Stempel mit UB „a“ liegt aus dem Jahr 1921 vor. Wer kennt weitere Details zu diesen drei Orten?
Poststempel mit Angabe „Gefangenenlager“
Bezüglich von Poststempeln mit der Zusatzangabe „Gefangenenlager“ kennt der Autor nur den Stempel von „Holzminden Gefangenenlager“.
Holzminden ist heute eine Kreisstadt in Niedersachsen und liegt im oberen Weserbergland. Laut entsprechenden Internetrecherchen war der Ort ab 1780 Garnisonsstadt. Im Ersten Weltkrieg befand sich außerhalb der Stadt am Landübungsplatz ein Kriegsgefangenenlager für bis zu 10.000 Personen unter der Kontrolle des 174. Infanterie-Regiments. Angaben zufolge hatte es während der ganzen Kriegszeit von 1914 bis 1918 existiert.
Kurz vor Kriegsende kam es im Juli 1918 zu dem größten Ausbruchsversuch von Kriegsgefangenen im 1. WK. 75 britische und australische Offiziere gruben einen Tunnel. Nachdem 29 schon erfolgreich geflüchtet waren, wurde diese Flucht bemerkt und die restlichen Offiziere wurden daran gehindert zu fliehen. Einer der Beteiligten schrieb dazu auch ein Buch „The Tunnelers of Holzminden“.
Postgeschichtlich ist der Tagesstempel „Holzminden Gefangenenlager“ bisher vom 15. Dezember 1915 bis 21. Dezember 1916 nachweisbar. Wer kann hier frühere oder spätere Daten belegen ?
Außer den britischen und australischen Gefangen sind Kriegsgefangenensendungen aus Belgien und Frankreich ins Lager bekannt. Allerdings ist der Stempel am ehesten auf Feldpostsendungen des Bewachungspersonals zu finden. Als Eingangsstempel ist er nicht nachweisbar. Bezüglich der Zensur sind mindestens zwei Vierzeiler einmal mit und einmal ohne Rand bekannt mit dem Text „Geprüft Kommandantur Holzminden Prüfungsstelle“
Außerdem liegt ein Briefstempel „Landsturm-Inftr.-Ers.-Bataillon1. (x.27.) Holzminden“ vor.
Da es sich um ein größeres Gefangenenlager handelte, existieren diverse Postkarten vom Lager speziell mit französischer Beschriftung beispielsweise „Collection du comite internaitonal de la Croix Rouge a Geneve“ (dem internationalen Roten Kreuz). Laut diesen Ansichtspostkarten schien es den Gefangenen dort relativ gut zu gehen. Es gab mehrere Cafes teils mit Unterhaltung, sogar einige Frauen sind auf einer der Ansichtskarten zu sehen.
Poststempel mit der Angabe „Kriegsgefangenenlager“
Besonders überrascht war der Autor bei seinen Recherchen, dass es sogar einen Poststempel gegeben hat, der als Zusatzangabe im Stempel „Kriegsgefangenenlager“ enthielt. Was der Grund war, dies hier im Stempel explizit zu erwähnen, wird heute nicht mehr zu klären sein. Der Stempel lautet komplett auf „Berger Damm Kriegsgefangenenlager“.
Zum Ort selbst ist im Internet (Wikipedia) nicht viel zu finden. Berger Damm mit seinen Ortslagen beziehungsweise Wohnplätzen Bergerdamm Lager, Hanffabrik und Hertefeld ist heute ein Ortsteil der Stadt Nauen im Landkreis Havelland im Land Brandenburg. Der Ort hatte im Jahr 2002 ganze 479 Einwohner, er dürfte also zur Zeit des 1. Weltkriegs auch nicht viel größer gewesen sein. Weiter kann man dem Internet entnehmen, dass zur Trockenlegung und Urbarmachung eines Moorgebietes (Havelländischer Lunch) im 1. WK eigens ein Kriegsgefangenenlager errichtet wurde.
Es sollen überwiegend russische und französische Gefangene gewesen sein, die dort untergebracht waren. Laut Internetangaben schätzt man die Zahl der Gefangenen auf circa 5000. Außer der Trockenlegung wurden Sie auch zum Hanfanbau benötigt, der zur damaligen Zeit ein kriegswichtiges Produkt war. Aufgrund dieser Hintergrundinformationen ist klar, das zwar ein Postamt benötigt wurde, sich der Postverkehr aber in Grenzen hielt. Belege mit diesem Stempel sind also nicht so einfach zu finden. Die Sendungen der russischen Gefangenen lief vermutlich über das Moskauer Hilfskommittee für Kriegsgefangene in Kopenhagen wie entsprechende Belege vom Lager und ans Lager belegen.
Bei Belegen aus dem Lager ist ein roter Zweizeiler mit „Geprüft vereid. Dolmetscher“ sowie ein Einzeiler mit „F. a.“ vorhanden. Von französischen Soldaten liegen dem Autor keine Belege vor. Die Laufzeit des Stempels konnte bisher vom 16. Juli 1915 bis zum 9. August 1916 nachgewiesen werden. Wer kennt hier frühere und spätere Daten sowie weitere Informationen zu diesem Gefangenenlager?
Resümee
Die Informationslage zu den genannten Lagern und ihren Poststempeln ist teilweise sehr dünn. Wer hat weitere Informationen und oder kann frühere oder spätere Stempeldaten mittels Scan belegen? Laut dem Internet soll es auch einen Landpoststempel mit der Angabe „Offizier-Gefangenenlager Heidelberg“ geben. Wer kann hier Belege vorlegen? Ist dies der einzige Landpoststempel mit der Angabe „Gefangenenlager“ oder gibt es weitere und wenn ja welche. Man sieht das die Geschichte auch nach 100 Jahren noch nicht komplett aufgearbeitet ist und das an manchen Stellen noch postgeschichtlicher Forschungsbedarf besteht. Das eine oder andere Rätsel kann man vermutlich noch lösen, manches dürfte aber für immer ungeklärt bleiben.