Das Munster Lager und seine Stempel im Wandel der Zeit
(erschienen in philatelie 432 - Juni 2013)
Während der Arbeit zum Beitrag über das "Regenwurmlager" stieß der Autor bei seinen Internetrecherchen auf weitere Orte mit nicht alltäglichen Ortsbezeichnungen. Einer davon ist Munster (Lager). Dieser Ort hat eine interessante Stempelgeschichte von 1895 bis mindestens 1962 vorzuweisen, wenn nicht sogar eine noch viel längere. Auch geschichtlich spielt dieser Ort im Laufe der deutschen Geschichte eine (teils allerdings nicht recht glückliche) Rolle. Der folgende Artikel stellt die postgeschichtliche Entwicklung dieses Ortes einmal näher vor.
Die Recherche (Geschichte)
Wie auch schon beim Artikel "Regenwurmlager" wurden hier neue Methoden der philatelistischen Forschung getestet. Zum einen wurde die klassische Recherche von philatelistischer Literatur in Fachbibliotheken wie z.B. der "Philabiblitohek Heinrich Köhler" des Vereins für "Briefmarkenkunde von 1878 e.V." genutzt. Neu eingesetzt wurde allerdings auch das Internet und die Google-Suche, die Recherche bei eBay und anderen öffentlichen Onlinequellen (Wikipedia oder das Lexikon der Wehrmacht) sowie Onlineinternetshops verschiedener Anbieter. Diese dienten entweder der Informationsbeschaffung oder zur Besorgung von Beleg-Abbildungen, letztlich auch zur Erforschung von Laufzeitangaben von Stempeln.
Die dabei erzielten Resultate sind sehr interessant. Eine Bewertung erfolgt im abschließenden Resümee. Beginnen wir nun aber mit den geschlichtlichen Fakten, die diese Quellen zu Tage gebracht haben. Laut Wikipedia handelt es sich heute bei Munster (Lager) um einen Truppenübungslatz in der Lüneburger Heide in Niedersachsen. Er besteht aus zwei getrennten Teilen mit unterschiedlichen Nutzungskonzept, Munster-Nord und Munster-Süd. Beide Plätze sind räumlich durch die heutige Stadt Munster sowie mehrere Kasernenanlagen voneinander getrennt.
Diese Entwicklung zur heutigen Lage begann bereits 1891, als das preußische Kriegsministerium dort Land für einen Truppenübungsplatz ankaufte. 1893 gab es vor Ort die ersten Truppen, nämlich das Oldenburgische-Infanterie Regiment Nr. 91 mit seinen damlaigen Kommandeur und späteren Reichspräsidenten, Paul von Hindenburg. Aus diesem Grund wurde auch fast gleichzeitig - circa 1,5 Kilometer vom Ortskern des damals gerade einmal 470 Einwohner großen Ortes - das Truppenlager Munster (Lager) eingerichtet.
Beim Ausbau dieses Geländes bis zur heutigen Größe mussten beim dortigen Übungsplatz das ein oder andere Dorf weichen, sie wurden aufgelöst und oder abgerissen. Als eines von vielen Beispielen sei hier das Dorf Sültingen bei Munster genannt, das 1937 weichen musste. Aber selbst Anfang 1980 konnte es noch vorkommen, dass Orte wie Lopau aus vorgenannten Gründen umgesiedelt wurden.
Zum heutigen Munster-Nord gehört auch der Ort Breloh (Breloh-Lager). Dort wurden im Ersten Weltkrieg auf dem Gasplatz Breloh Kampfstoffe entwickelt und unter teils katastrophalen Arbeitsbedingungen produziert. Speziell an der Westfront richteten diese dort produzierten Waffen großes Unheil an. Aufgrund des Versailler Vertrages wurde dieser Teil schrittweise bis 1925 geräumt bzw. gesprengt. Aber schon 1935 fing der Betrieb wieder an. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs erfolgt die erneute Auflösung, nachdem die Briten dieses Gelände besetzt hatten. Das Gelände wurde allerdings nicht nur für Truppen genutzt, die dort stationiert waren oder üben wollten. Aufstellungen von Truppen, beispielsweise für den Boxeraufstand in China oder die deutschen Kolonien in Afrika, sind weitere Beispiele der vielfältigen Nutzung des Geländes. Im Ersten Weltkrieg waren dort auch 21 000 Kriegsgefangene untergebracht. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Munster (Lager) zum größten Entlassungslager für kriegsgefangene deutsche Soldaten. Circa. 1,7 Millionen Kriegsgefangene wurden hier aufgenommen und in die Heimat entlassen. Anschließend wurde es noch bis in die sechziger Jahre als Flüchtlingslager genutzt.
Postalische Spuren
Der geschichtliche Hintergrund belegt, dass dieser Ort auch postalisch im Laufe seiner Zeit ein teils extrem großes Postaufkommen hatte und entsprechende vielfältige postgeschichtliche Spuren hinterlassen hat. Die 1891 vorhandenen 470 Einwohner benötigten keine große Postversorgung. Aber die zeitweise großen Truppenkontigente und oder die Kriegsgefangenen und Flüchtlinge, natürlich auch die entsprechende Verwaltung, konnten ohne eine postalische Versorgung nicht funktionieren.
Aus diesem Grunde wurde bereits 1895 ein Postamt eingerichtet. Es erhielt einen Kreis-Obersegment-Stempel "Munster (Hannover)". Die Laufzeit des Stempels ist Internetrecherchen zufolge bisher nachweisbar vom 25. März 1895 bis 3. Juli 1897.
Gemäß philatelistischer Literatur wurde 1898 erstmals das Postamt "Munster (Lager)" genannt. Der erste Stempel führte allerdings noch eine etwas andere Bezeichnung. Es handelte sich um einen Einkreisstempel "Muster (Hannover) - Übungsplatz"(Laufzeit: 22 Juni 1899 bis 19. August 1902).
Es folgte ein Gitterstempel (Typ 6) mit der Ortsangabe "Munsterlager (Bz. Hannover)" (Laufzeit: 29. Juni 1903 bis 15. Oktober 1912).
Der folgende Stempel vom Typ 7 hatte die Beschriftung "Munster * (Lager) *" (Laufzeit: 22. August 1913 bis 16. September 1916).
Fast gleichzeitig wurde ein weiterer Stempel vom Typ 7 eingeführt, allerdings mit der Beschriftung "Munster * (Lager) a" (Laufzeit: 1. August 1915 bis 1. April 1935).
Besonders ungewöhnlich ist, dass es zumindest für vier Monate von Ende 1917 bis Anfang 1918 sogar einen Maschinenstempel mit der Beschriftung "Munster (Lager) * * b" gab (Laufzeit: 8. November 1917 bis 22. Februar 1918).
Es folgte der Typ 8 der Reichspost. Laut dem Michelhandebuch Feldpost gab es den Stempel "Munster (Lager)" mit den Unterscheidungsbuchstaben (UB) a, b, c, d, e und g. Nachweisen konnte der Autor auf alle Fälle die UB a, b, d, e und g. Die UB "c" wurden bisher bei den Internetrecherchen nicht entdeckt. Im Internet gefunden werden konnte der UB "a" mit der Laufzeit 21. Juli 1939 bis 15 Mail 1943, der UB "b" vom 29 August 1935 bis nach dem Krieg zum 25. Oktober 1947 sowie der UB "d" vom 19. Februar 1944 bis zum 1. Mail 1944.
Der UB "e" wurde in einer Wühliste auf einen Einschreibebrief vom 21. April 1961 entdeckt.
Der von Michel angegebene UB "g" existiert zwar, aber er war nur mit aptierter (zusätzlicher) PGLZ 20 - also "(20) Munster (Lager)" vom 3. Juli 1946 bis 20. November 1946 zu belegen.
Irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg wurde außerdem ein neuer Stempel "(20a) Munster (Lager)" mit dem UB "b" angefertigt. Er ist bsiher vom 13. Juli 1957 bis zum 16. Januar 1961 bekannt.
Dieser Stempel wurde im Rahmen der Einführung der neuen Stempel mit vierstelliger Postleitzahl aptiert, anfangs scheinbar nur teilweise (4. Juli 1962), etwas später aber mit totaler Aptierung vom 22. August 1962 (gefunden auf philaseiten.de) nachweisbar.
Da laut Wikipedia der Ort nicht mehr Munster (Lager) heißen wollte, wurde im Rahmen der Umstellung auf die verstellige Postleitzahl 3042 der Ort in Munster (ohne die Zusatzangabe "Lager") umbenannt.
Die Angabe Munster (Lager) ist aber nicht nur in den normalen Poststempeln nachweisbar. Diese existiert beispielsweise auch auf R-Zetteln oder bei Freistempeln aus den fünfziger Jahren.
Die Ortsangabe Munster (Lager) kam auch bei verschiedenen Landpoststempeln vor. In der kurzen Zeit der Recherche von fünf Monaten konnten drei verschiedene Hauptvarianten entdeckt werden. Vom Postamt Oerrel waren dabei von 1933 bis 1956 sogar drei verschiedene Teilvarianten belegbar, Oerrel - Munster (Lager) Land, 20 Oerrel über Munster (Lager) und 20a Oerrel über Munster (Lager). Weiter konnte "20 Breloh über Munster (Lager)" sowie der Landpoststempel "Gemeinschaftslager Munster Ost - Munster (Lager)" nachgewiesen werden.
Die teils speziellen Stempel von den Kriegsgefangenenlagern wurden bei dieser Untersuchung nicht berücksichtigt. Aus späterer Zeit gibt es Maschinenstempel mit Werbung zum dortigen Panzermuseum
oder etwa von 1993 mit Werbung "100 Jahre Soldaten in Munster" (philaseiten.de) sowie teils entsprechende Sonderstempel anlässlich eines Tages der offenen Tür oder von entsprechenden Jubiläen der dortigen stationierten Bundeswehreinheiten.
Resümee
Die in diesem Artikel vorgestellten Information wurden innerhalb von fünf Monaten zusammen getragen: auf klassichen Wege, aber auch mit modernen Hilfsmitteln wie dem Internet. Der Autor war angesichts des Ergebnisses dieses Projektes doch positiv überrascht, wie das Internet die Recherchen beschleunigen konnte und zu relativ guten Resultaten führte. Zwar benötigt der neue Ansatz auch viel Zeit, aber er ist je nach vorhandener Zeit von zu Hause aus individuell steuerbar. Genauso wie philatelistische Bücher den jeweiligen Forschungsstand zum Zeitpunkt des Erscheines festhalten, liefert das Internet aktuelle Informationen. Allerdings sind diese Informationen immer nur so gut, wie der oder die jeweiligen Experten, die diese erstellt haben. Man sollte daher - sebst bei Wikipedia - nicht alles kommentarlos übernehmen oder als neuesten Stand der Forschung akzeptieren, sondern jede Information auf ihre Qualität, also auch auf die Stimmigkeit hin überprüfen.
Einige wenige Onlineshops bieten hier schon tolle Möglichkeiten, speziell mit sehr guten erweiterten Suchoptionen. Viele bieten hier aber bisher nur die einfache "0-8-15 Suche" an. Außerdem wird oft leider nur ein Teil des Briefes oder einer Ansichtskarte abgebildet (in der Regel nur die Vorderseite), viel zu selten auch die dazugehörige Rückseite. Wer hier mehr Service bietet, wird seine Belege bei einem gesunden Preis-Leistungsverhältnis auch besser verkaufen können als der einfache Onlineshop. Je nach Anlaysezweck und Ziel kann das Internet die postgeschichtliche Forschung unterstützen und sogar wesentlich beschleunigen. Der Autor wird dieses Mittel zukünftig verstärkt einsetzen, da es sich als sehr hilfreich herausgestellt hat.