Eine merkwürdige Frankierung
(erscheint in der philatelie 556 - Oktober 2023)
Vor circa zwei Jahren erhielt der Autor das erste Mal einen Scan von einer Streifbandzeitung, frankiert mit einer 30 Pfennig Marke der Dauerserie „Bauwerke und Denkmale“ mit Stempeldatum 4.3.91 von Rostock 2. Diese Dauerserie wurde am 2. Juli 1990 in DM von der Deutschen Post im damaligen VGO verausgabt. Die große Frage war nun, ist diese Sendung portogerecht frankiert worden und wenn ja wieso?
Einführung
Die damaligen Entgelte waren teilweise etwas verzwickt. Zum einen gab es das Gebührenheft der Bundespost mit Datenstand 1. September 1989, das erst zum 1. Juli 1991 durch ein neues Heft abgelöst wurde. Weiter gab es mit Datenstand 1. Juli 1990 ein neues dünnes Gebührenheft der Deutschen Post der DDR. Nun werden einige sagen, ja am 3. Oktober 1990 war doch die Wiedervereinigung und damit gelten doch die Bestimmungen der Bundespost endgültig auch im VGO. Dies ist aber nicht so einfach, denn sowohl für die Bundespost als auch für die Deutsche Post gab es in verschiedenen speziellen Fällen unterschiedliche Übergangsregelungen, je nachdem um welche Versendungsform es sich handelte und von wo aus man diese Postsendung wohin verschicken wollte.
Beispielsweise kostete ein Eilbrief am 3. Oktober 1990, dem Tag der Deutschen Einheit, je nach Absenderstandort und Ziel zwischen 2,50 DM und 6,00 DM. Dabei konnte man hier bis zu fünf verschiedenen Fälle und Gebühren unterscheiden. Die Materie ist also nicht so einfach, wie man denkt. Diese unterschiedlichen Übergangsregelungen galten je nach gesetzlicher Verankerung unterschiedlich lange, bis ihr jeweiliges Ende kam.
Nähern wir uns daher der Frage durch schrittweises Prüfen der einzelnen Optionen. Die erste Möglichkeit wäre, das das Gebührenheft der Bundespost gültig ist. Hier gäbe es nun zwei mögliche Varianten, das es tatsächlich, so wie auf dem Streifband steht, eine Drucksache wäre oder es ein Streifband ist.
Die Standarddrucksache scheitet dabei aus, den hier beginnt die niedrigste Portostufe bei 60 Pfennig. Entgelte für Streifbandsendungen zu finden, ist schon viel schwieriger, zwar wurden diese früher auch mal im jeweiligen Gebührenheft gelistet, aber zu der Wendezeit war hier nur der Vermerk zu finden, das es sich um den Postzeitungsdienst handelt und weitere Auskünfte am Schalter gegeben würden.
Da das niedrigste Porto für eine Streifbandzeitung zu jener Zeit aber bei 55 Pfennig lag, scheidet diese Möglichkeit auch aus. Falls die Sendung nicht ganz richtig gekennzeichnet wäre, gäbe es noch die Option einer Standardmassendrucksache. Hier galten aber spezielle Einlieferungsbedingungen, die das gezeigte Streifband in keinster Weise erfüllen konnte.
Betrachten wir daher das Gebührenheft der Deutschen Post, das ja normalerweise mit dem Tag der Deutschen Einheit ungültig wurde. Dort wurde die günstigste Drucksache mit 70 Pfennig ausgewiesen.
Diese Möglichkeit war also auch nicht zielführend. Es gäbe hier in diesem Gebührenheft zwar eine Versendungsform, die „Postwurfdrucksace“ die bei 30 bis 50 Gramm nur 30 Pfennig gekostet hat, aber ein Streifband mit dem vermutlichen Inhalt einer Zeitung erfüllt keineswegs die Bestimmungen einer „Postwurfdrucksache“. Außerdem durfte diese ja nur innerhalb des Verkehrsgebietes Ost verschickt werden und die gezeigte Sendung wurde von Rostock nach Buxtehude bei Hamburg verschickt.
Laut dem Amtsblatt 02 Vf. P 472 vom 10.12.1990 führte die Deutsche Bundespost die Sendungsart „Zeitungsdrucksache“ in den neuen Bundesländern im Rahmen eines Betriebsversuches übergangsweise vom 1.1.91 bis Ende 1991 an. Sie will damit Erkenntnisse über die Sendungsstruktur gewinnen, die in ein künftiges einheitliches Dienstleistungsangebot für das gesamte Verkehrsgebiet der BRD einfließen sollen.
Damit wäre zumindest die anfangs gezeigte Sendung erklärt. Es gibt aber weitere nahezu identische Belege mit Stempeldatum aus der Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1990 mit der selben Frankatur. Diese Belege zeigen keine typischen Spuren auf, dass sie von Philatelisten angefertigt worden wären. Gab es hier also vorher schon inoffizielle Versuche oder Regelungen ?
Aus einer weiteren Quelle aus dem Postzeitungsvertrieb wird aus einem Rundschreiben zittiert: „Alle Sonderdienste der ehemaligen DDR werden, wie bereits im Oktober 1991 mitgeteilt, am 1. Juli 1992 eingestellt“.
Resümee
Um die angesprochenen Rätsel zu lösen, wäre es daher sinnvoll, hier entsprechende Unterlagen vom Postpressedienst Ost und West aus der Zeit von circa 1985 bis 1995 aufzutreiben, um obige Fragen eindeutig beantworten zu können. Daher ergeht hier der Aufruf an alle, die eventuell dazu Unterlagen besitzen, diese leihweise zur Analyse zur Verfügung zu stellen.
Dieses Beispiel zeigt also, das auch nach über 30 Jahren Deutscher Einheit noch nicht alle Rätsel gelöst sind. Diese und anderen Fragen erforscht die Interessengemeinschaft „Deutsche Einheit“.
Interessengemeinschaft „Deutsche Einheit“
Die Interessengemeinschaft „Deutsche Einheit“ erforscht vorzugsweise die postgeschichtlichen Spuren der „Deutschen Einheit“ vom Fall der Mauer am 9.11.1989 bis zum 30.6.1993. Man trägt aber beispielsweise auch die jährlichen neuen Stempel anläßlich des Tages der Deutschen Einheit am 3. Oktober zusammen, der dieses Jahr in Hamburg gefeiert wird.
Weitere Infos zur Interessengemeinschaft finden Sie auf der Webseite www.ig-deutsche-einheit.de. Ansprechpartner für die Interessengemeinschaft ist Günther Borchers, Hasenkamp 8a in 21644 Sauensiek mit der Email Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!