Zum Thema „Deutsche Einheit“

 

(Vorabveröffentlichung: erscheint in philatelie 484 - Oktober 2017)

 

Am 3. Oktober 2017 wird die zentrale jährliche Einheitsfeier diesmal vom Land Rheinland-Pfalz zum zweiten Mal in Mainz ausgerichtet. Im Jahr 2001 wurde sie dort erstmals ausgerichtet.

Absenderfreistempelausschnitt aus dem Jahr 2001 von der Stadt Mainz mit Werbung zum damaligen Tag der
Absenderfreistempelausschnitt aus dem Jahr 2001 von der Stadt Mainz mit Werbung zum damaligen Tag der "Deutschen Einheit"

 

Da es sich beim Thema Deutsche Einheit um ein interessantes Sammelgebiet handelt, wurde schon 1991 aus einem losen Zusammenschluss von interessierten Sammlern des Braunschweiger Briefmarkenclubs, und des Briefmarkensammlervereins „Globus“ aus Magdeburg die Interessengemeinschaft „Währungsunion – Deutsche Einheit“ gegründet. Diese lose Gemeinschaft wurde 1997 in die in Wittenberg gegründete „Forschungsgemeinschaft für Philatelie und Postgeschichte „Deutsche Einheit““ umgewandelt. Auf der letzten Mitgliederversammlung am 21. Mai 2017 wurde beschlossen, diese wieder in eine Interessengemeinschaft „Deutsche Einheit“ mit weniger Auflagen durch eine gleichzeitige geänderte Satzung zu verwandeln. Damit soll dieses nicht alltägliche Sammelgebiet erhalten und weiter bearbeitet werden. Zwar wurde speziell in den ersten Jahren viel zum Thema geschrieben und publiziert, aber es gibt doch noch immer Neues zu entdecken und zu erforschen. Gleichzeitig soll diese moderne Geschichte nicht in Vergessenheit geraten. Mit Hilfe der Philatelie und Postgeschichte lässt sich diese Zeitgeschichte auch für zukünftige Generationen erschließen und aus einem anderen Blickwinkel darstellen.

 

Zum Thema Deutsche Einheit gehört im engeren Sinne die Zeit von 1989 mit der zunehmenden Flüchtlingswelle über Ungarn und andere Ostblockstaaten bis 1993 zur Einführung der fünfstelligen Postleitzahl. Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, begann das große Reisen zu Westverwandten. Da es damals in der DDR sehr wenige Bürger mit eigenen Telefon gab, geschweige denn Twitter oder Facebook oder SMS bekannt waren, musste die entsprechende Kommunikation und Absprache, mit welchen Zug, an welchen Tag man kommen wollte, mit einem Telegramm erfolgen. Dies war damals die zuverlässigste und schnellste Informationsübermittlung. Hier gibt es vielfältige Telegramme vor allem aus den ersten Wochen nach Maueröffnung von Ost nach West, beispielsweise mit dem Text „Komme Samstag circa 8 Uhr mit Intercity-Zug aus Bebra an, könnt ihr mich abholen“.

 

Eines der ersten Ziele im Westen war dann der Gang zu Gemeinde oder dem Postamt, um das Begrüßungsgeld in Höhe von 100,00 DM abzuholen. Dieses wurde 1970 in Höhe von 30 DM eingeführt und 1988 auf 100 DM erhöht und auf eine einmalige jährliche Inanspruchnahme beschränkt. Wer dieses Geld am Postamt abholen wollte, fand dort entsprechende spezielle Postformulare vor.

Postformular aus dem November 1989 für das Begrüssungsgeld für DDR-Bürger
Postformular aus dem November 1989 für das Begrüssungsgeld für DDR-Bürger

 

Der Empfang wurde im Personalausweis der DDR meistens auf einer der letzten Seiten vermerkt, teils sogar mittels Poststempels.

Die letzte Seite eines Personalausweises mit Tagesstempel aus 1000 Berlin vom 18.12.89 - der Nachweis für das Begrüssungsgeld
Die letzte Seite eines Personalausweises mit Tagesstempel aus 1000 Berlin vom 18.12.89 - der Nachweis für das Begrüssungsgeld

 

Findet man mal auf einem Flohmarkt so einen abgelaufenen Pass, so kann man teils sogar erkennen, das der betreffende DDR-Bürger das Begrüßungsgeld doppelt kassiert hatte. Dies lag an der uneinheitlichen Quittierung dieses Begrüßungsgeldes.

 

Da die wenigen Grenzübergänge stark überlastet waren, wurden in den folgenden Wochen schrittweise an vielen Stellen erst provisorisch, schrittweise dann immer besser ausgebaut weitere Übergangsstellen eröffnet. Dies kann man beispielsweise über entsprechende Bahnpoststempel nachweisen. Hier gibt es vereinzelt entsprechende Provisorien für gerade neu eingerichtete Bahnpostverbindungen, beispielsweise ein Gummistempel Frankfurt mit handschriftlicher Ergänzung Berlin und der Zugnummer D 359 vom 22. Februar 1991 oder einen Bahnpostgummistempel Dresden mit handschriftlicher Ergänzung Ffm und der Zugnummer 654 am 21. Juni 1992.

Beutelfahne mit provisorischen Bahnpoststempel als Beispiel für die Öffnung von Grenzen
Beutelfahne mit provisorischen Bahnpoststempel als Beispiel für die Öffnung von Grenzen

 

Kurz vor Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion zum 1. Juli 1990 wurden bereits die ersten Firmen umbenannt, statt VEB Maschinenbau Handel Leipzig, stand nun als Absender beispielsweise Maschinenbau- und Technikhandel Halle GmbH (i.G. = in Gründung) auf dem Umschlag. Gleichzeitig verschickte man aber seine Post teils noch über den ZKD (Zentralen Kurierdienst), der Ende Juni abgewickelt wurde.

ZKD-Beleg aus dem Juni 1990, der Absender VEB wurde schon gestrichen, dafür ergänzt mit GmbH (i.G.)
ZKD-Beleg aus dem Juni 1990, der Absender VEB wurde schon gestrichen, dafür ergänzt mit GmbH (i.G.)

 

Mit Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion begann der spannendste Teil. Die Einführung der DM beziehungsweise der Umtausch von Ostmark auf DM, die Umstellung der Post, aber vor allen auch der Wirtschaft hinterließen in der Folgezeit vielfältige Spuren.

Guthabenumstellung eines Postgirokontos
Guthabenumstellung eines Postgirokontos

 

Aus vielen VEB (Volkseigener Betrieben) wurde nun oft eine entsprechende GmbH. Dies wurde bei vielen Betrieben durch Aptierung des Absenderstempels oder der eigenen Absenderfreistempelmaschine umgesetzt, teilweise sogar in mehreren Schritten. Beispielsweise wurde aus dem zur Wendezeit lautenden Firmennamen „VEB Technische Gase Leipzig“ nun einfach durch entsprechende Aptierung, „Technische Gase Leipzig“ bzw. im Werbeteil hieß es nun statt „VEB TEGA“ nur noch „TEGA“. Heute wird an der selben Stelle als „Messer Griesheim GmbH““ gearbeitet.

Ausschnitt Absenderfreistempel aus Leipzig vom VEB Technische Gas mit Aptierung, hier Entfernung VEB und zum Vergleich, wie es vorher war, selbst beim Absenderstempel der Firma
Ausschnitt Absenderfreistempel aus Leipzig vom VEB Technische Gas mit Aptierung, hier Entfernung VEB und zum Vergleich, wie es vorher war, selbst beim Absenderstempel der Firma

 

Teils wird bei der Aptierung der Absenderfreistempel auch an mehreren Stellen gleichzeitig gedreht. Ein passendes Beispiel dazu ist das VEB Möve-Werk Mühlhausen. Der Name Möve war die erste Deutsche Fahrradmarke im Jahr 1896. Bis 1961 wurden in diesem VEB Fahrräder produziert. Im Rahmen von Umorganisationen wurde der Fahrradbau nach Sangerhausen verlagert und die Produktion auf Fahrzeugsitze für Autos verlagert. Die im Ausschnitt gezeigten Absenderfreistempel zeigen zumindest einen kurzen Teil dieser wechselvollen Firmengeschichte.

Mehrfachaptierung am Beispiel des VEB-Möve-Werks Mühlausen
Mehrfachaptierung am Beispiel des VEB-Möve-Werks Mühlausen (Sammlung G. Borchers)

 

Einige Jahre später wurde aus der Möve GmbH die heutige Möve Fahrzeugsitze GmbH. Diese Firmengeschichte lässt sich in diesem Fall sogar leicht über das Internet recherchieren.

 

Betrachtet man diesen Absenderfreistempel genauer, so findet man hier noch unter dem Ortsnamen von Mühlhausen den Zusatz „Thomas Müntzer Stadt“. Dieser Zusatz wurde zum 450. Todestag von Thomas Müntzer eingeführt. Dieser Zusatz wurde 1991 von der Stadtverordnetenversammlung gestrichen und der Ort wurde in Mühlhausen/Thüringen umbenannt. Dies war aber nicht die einzige Umbenennung von Orten.

 

Ein viel bekannteres Beispiel ist das heutige Chemnitz, dass zeitweilig mal Karl-Marx-Stadt genannt wurde. Am 10. Mai 1953 vollzog der damalige Ministerpräsident Otto Grotewohl anlässlich des Karl-Marx-Jahres die Umbennung von Chemnitz in Karl-Marx-Stadt. Die Wiedervereinigung führte dazu, dass die Bevölkerung in einer Abstimmung am 22. April 1990 den alten Namen Chemnitz wieder haben wollten. Die offizielle Umbenennung erfolgte zum 1. Juni 1990, kurz vor der Währungsunion.

Maschinenwerbestempel, rechts wurde der neue (alte) Ortsname Chemnitz schon eingesetzt, links im Werbeteil lautet er aber noch
Maschinenwerbestempel, rechts wurde der neue (alte) Ortsname Chemnitz schon eingesetzt, links im Werbeteil lautet er aber noch "Karl-Marx-Stadt"

 

Dies sind aber nur zwei Beispiele für die Änderung von Ortsnamen. In der Folge mussten daher auch die entsprechenden Poststempel geändert werden. Aber nicht nur Orte wurden umbeannt, auch Straßennamen wurden in der Folgezeit umgetauft. Ein Beispiel von vielen ist die Straße „Ho-Chi-Minh-Straße“ in Dresden (1970 bis 1991). Auf diese Straße fuhr der Autor 1991 einmal zu einem Postamt mit einem neu installierten Münzwertzeichendrucker im Verkehrsgebiet Ost (VGO) entlang. Das dieser Name nicht mehr lange Bestand haben würde, war dem Autor schon damals klar. Heute existiert wieder der ursprüngliche Straßenname Bernhardstraße. Dies lässt sich indirekt oder teils auch direkt über Belege und Stempel nachweisen.

 

Viele Postämter bekamen neue Stempel, da die alten Maschinenstempel oft schon etliche Jahre eingesetzt waren oder es gab auf kleinen Postämtern bisher keine richtigen Tagesstempel. Dabei wurden Stempel teils nach Westnorm für den Osten geliefert, teils nach DDR-Norm. Vereinzelt wanderten DDR-Werbeklischees sogar in den Westen (waagrechte Linien) und wurden dort weiter benutzt.

 

Erst vor kurzem neu entdeckt wurde ein Maschinenwerbestempel, den es nur einen Tag gab. Anlass war der Weltposttag am 9. Oktober 1990.

Sehr seltener Maschinenwerbestempel mit Werbung zum Weltposttag 1990, der nur am 9. Oktober 1990 eingesetzt wurde (Sammlung G. Borchers)
Sehr seltener Maschinenwerbestempel mit Werbung zum Weltposttag 1990, der nur am 9. Oktober 1990 eingesetzt wurde (Sammlung G. Borchers)

 

Dies zu erforschen beziehungsweise festzuhalten, ist speziell bei kleinen Orten mit wenig Postverkehr nicht gerade einfach.

 

Laut Wikipedia gab es 802 Orte mit identischer PLZ, beispielsweise 2300 Stralsund und 2300 Kiel. Daher sollte man in der Folgezeit immer ein O oder ein W vor die jeweilige Postleitzahl schreiben. Um die Orte mit gleicher PLZ in Ost und West besser auseinander halten zu können, bekamen viele DDR-Orte neue Einschreibzettel mit einem O vor der Postleitzahl.

Einschreibebrief aus Dresden mit einen O-R-Zettel Selbstbucher vom März 1992
Einschreibebrief aus Dresden mit einen O-R-Zettel Selbstbucher vom März 1992
Auswahl an verschiedenen R-Zettelmöglichkeiten, hier nur die drei Varianten mit dem Druck der Firma Lück
Auswahl an verschiedenen R-Zettelmöglichkeiten, hier nur die drei Varianten mit dem Druck der Firma Lück

Oft gab es hier aber auch entsprechende Provisorien, da die Bestellung nicht schnell genug eintraf und der Bedarf größer war. Beispielsweise wurden R-Zettel mit Rautenrand (Aufbrach oder DDR-Norm eingesetzt, teils auch R-Zettel mit glatten Balkenrand). Vielfältig waren auch handschriftliche Provisorien im Einsatz.

 

Nicht vergessen sollte man aber auch die Briefmarken selbst, die vom 2. Juni 1990 bis zum 2. Oktober 1990 von der Deutschen Post in DM herausgegeben wurden. Die verschiedenen Frankaturmöglichkeiten, die Plattenfehler, Erst- und Letzttage bieten einen weiteren großen Teilbereich der Deutschen Einheit.

Ganzsache für das VGO, hier in der seltenen Versendungsform Anschriftenprüfung vom 25. März 1991 (Sammlung G. Borchers)
Ganzsache für das VGO, hier in der seltenen Versendungsform Anschriftenprüfung vom 25. März 1991 (Sammlung G. Borchers)

Beispielsweise gab es innerhalb von Deutschland am 3. Oktober 1990 für einen Eilbrief bis 20 Gramm fünf verschiedene Gebührenoptionen, je nachdem von wo nach wo der Brief verschickt wurde. Beginnen wir dabei mit dem Ortsverkehr innerhalb Berlins. Innerhalb Westberlin kostete der Eilbrief 5,60 DM, innerhalb Ostberlins 2,50 DM, von West- nach Ostberlin 2,60 DM, innerhalb des VGW (Verkehrsgebietes West) 6,00 DM und vom VGW ins VGO nur 3,00 DM.

Nachträgliche Ergänzung: Über den folgenden Link kommen Sie zum Artikel "Tarifunterschiede auf dem Weg zur Postalischen Einheit", in dem dieses Beispiel ausführlich vorgestellt wird.

 

Eine weitere nicht so bekannte Tatsache dürfte sein, dass nicht der 31. Dezember 1991 der letzte tatsächliche Tag der Gültigkeit der DM-Ausgaben der Deutschen Post war, sondern der 3. Januar 1992. Hat ein Postkunde am letzten Tag des Jahres 1991 kurz vor Schalterschluss an einem Landpostamt seine Post aufgegeben, so konnte man diese dort mangels vorhandener Tagesstempel nicht entwerten. Dies war erst am nächsten Arbeitstag, den 3. Januar 1992 am übergeordneten Postamt möglich.

Ganzsache aufgegeben am Landpostamt am Lettzttag 31. Dezember 1991 - gestempelt am nächsten Werktag im übergeordneten Postamt am 3. Januar 1992
Ganzsache aufgegeben am Landpostamt am Lettzttag 31. Dezember 1991 - gestempelt am nächsten Werktag im übergeordneten Postamt am 3. Januar 1992

 

Diese wenigen ausgewählten Beispiele zeigen, wie vielfältig immer noch die Möglichkeiten sind, die Erforschung der neuen deutschen Geschichte zu betreiben, zu dokumentieren und für die Zukunft festzuhalten. Dieses Ziel hat die Interessengemeinschaft „Deutsche Einheit“, helfen Sie dabei mit. Der Jahresbeitrag beträgt 15,00 Euro, dafür erhält man zwei Rundbriefe. Weitere Informationen erhalten Sie vom Ansprechpartner und Geschäftsführer Günther Borchers (Tel:04169 / 908426 oder email Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!