Tarifunterschiede auf dem Weg zur postalischen Einheit

 

(erschienen in "Die Sammlermarke" - Heft 9 - Oktober 1999 - Infotainment Verlag)

 

Am 9. November 1989 öffnete gegen 23 Uhr der erste Schlagbaum an der Bornholmer Str. in Berlin. Die Folgen in philatelistischer und postgeschichtlicher Hinsicht waren sehr vielfältig. Aus postalischer Sicht ist die Zeit dieser historischen Wende mit der Vereinehitlichung des Postleitzahlen-Systems im Juli 1993 zeitlich abgeschlossen, die Forschung auf diesem Gebiet hat aber erst begonnen. Einige Schlagwörter sollen hier die Vielfältigkeit zumindest andeuten - die letzten Tage des zentralen Kurierdienstes, Aufnahme des innerdeutschen Bahnpostverkehrs, neue Marken mit der Bezeichnung Deutsche Post, RemailingAktionen mit dem günstigeren VGO-Tarifen und unterschiedliche Postgebühren.

 

Als Fallbeispiel für das interessante Sammelgebiet Deutsche Einheit wird hier eine Portokuriosität etwas näher beleuchtet. Es handelt sich dabei um den Standardeilbrief mit einem Gewicht bis 20 Gramm bzw. um die Postkarte mit entsprechender Verwendung. Je nach dem, von wo nach wo dieser Eilbrief am Tag der Wiedervereinigung oder im Laufe der nächsten Wochen bis zum 31. März 1991 verschickt wurde, schwankten die Gebühren von 2,50 DM bis 6,00 DM. Insgesamt gab es mehrere verschiedene Möglichkeiten aufgrund bestehender Gesetze und Bestimmungen. Sicherlich werden Sie sich jetzt fragen, wieso ?

 

Versuchen wir also das Rätsel zu lösen. Dazu betrachten wir die damals gültigen Gebührenhefte einmal eingehend. (Gebührenhefte sollte man übrigens auch sammeln, den die Informationen sind viel besser als viele einfache Tabellen).

 

Es gab am 3. Oktober (dem Tag der Wiedervereinigung) einmal die Gebühren der Bundesrepublik für die "alte" Bundesrepublik" und für West-Berlin - auch bezeichnet als VGW (Verkehrsgebiet West). Es war das Gebührenheft Stand 1. September 1989). Der Standardbrief kostet 1,00 DM, die Postkarte 0,60 DM- Innerhalb West-Berlins gab es das sogenante Ortsporto in Höhe von 0,60 DM für einen Brief und 0,40 DM für eine Karte. Dieses Ortsporto galt auch für Versendungen von West- nach Ost-Berlin.

 

Ausserdem gab es zu diesem Zeitpunkt noch die Gebühren der Deutschen Post für die ehemalige DDR - auch bezeichnet als VGO (Verkehrsgebietes Ost). Diese galten seit der Währungs-Union (1. Juli 1990) bis einschließlich 31. März 1991. Hier kostete ein Standardbrief innerhalb Deutschlands 0,50 DM, die Postkarte 0,30 DM.

 

Somit lassen sich schon verschiedene Brief- und Karten-Tarife erklären. Hinzu kommen weitere Kombinationen im Zusammenhang mit Zusatzleistungen. Hier wollen wir uns mit der Eilzustellung beschäftigen.

 

Die Eilgebühr im Verkehrsgebiet West (VGW) unterscheidet sich laut Gebührenheft in eine Eilgebühr innerhalb des VGW und nach Westberlin in Höhe von 5,00 DM und eine ermäßigte Eilgebühr ins VGO in Höhe von 2,00 DM. Umgekehrt gilt vom VGO ins VGW eine "normale" Eilgebühr in Höhe von 2,00 DM. Kombiniert man alle dies Details zu einem ganzen, so ergibt sich folgende Übersicht:

Übersichtstabelle für Entgelte von Eilsendungen am Stichtag 3. Oktober 1990
Übersichtstabelle für Entgelte von Eilsendungen am Stichtag 3. Oktober 1990
P 129 als Orts-Postkarte von West- nach Ost-Berlin per Eilzustellung vom 18.02.91 - Porto: 40 Pfg. Orts-Postkarte innerhalb Berlins ü ermäsigte Eilgebühr ins VGO 200 Pfg. = 2,40 DM Gesamtgebühr
Antwortpostkarte als Orts-Postkarte von West- nach Ost-Berlin per Eilzustellung vom 18.02.91 - Porto: 40 Pfg. Orts-Postkarte innerhalb Berlins ü ermäsigte Eilgebühr ins VGO 200 Pfg. = 2,40 DM Gesamtgebühr
Antwortganzsache im Ortsverkehr per Eilzustellung von Ost-Berlin nach West-Berlin - Porto 30 Pfg. Postkarte + 200 Pfg. Eilgebühr = 2,30 DM Gesamtgebühr (Stempeldatum 22.2.91)
Antwortganzsache im Ortsverkehr per Eilzustellung von Ost-Berlin nach West-Berlin - Porto 30 Pfg. Postkarte + 200 Pfg. Eilgebühr = 2,30 DM Gesamtgebühr (Stempeldatum 22.2.91)
P 129 als Fern-Postkarte vom 18.02.91 ab West-Berlin nach Erfurt als Eilzustellung ins VGO - Porto 60 Pfg. Postkarte ü ermässigte Eilgebühr ins VGO 200 Pfg. = 2,60 DM Gesamtgebühr
P 129 als Fern-Postkarte vom 18.02.91 ab West-Berlin nach Erfurt als Eilzustellung ins VGO - Porto 60 Pfg. Postkarte ü ermässigte Eilgebühr ins VGO 200 Pfg. = 2,60 DM Gesamtgebühr

Mit der Gebührenänderung zum 1 April 1991 wurden die Gebühren vom Verkehrsgebiet Ost und die Ortsgebühren Berlin aufgehoben. Allerdings gab es weiterhin einige Portobesonderheiten, die bis zum 30. Juni 1991 galten. Als Beispiel soll hier auch wieder der Standardeilbrief genannt werden. Wurde er vom VGW ins VGO geschickt, kostete er 3,00 DM umkehrt kostete er aber vom VGO ins VGW 6,00 DM. Im Extremfall mußte also ein Osterberliner Eilbriefschreiber doppelt soviel zahlen, wie sein nur wenige 100 Meter entfernt wohnender Westberliner Bekannter. Dies beruht auf dem Poststrukturgesetz der Deutschen Bundespost, daß am 1. Juli 1989 in Kraft trat. Da es bis zum 30. Juni 1991 befristet war, wurden die entsprechenden betroffenen Gebührenlücken nicht extra angepaßt.

 

An diesen kleinen Fallbeispiel können Sie erkennen, wie vielfältig dieses Sammelgebiet ist.

 

Auch heute noch können Sie mit diesem Sammelgebiet beginnen und sich an der Forschung beteiligen. Als Ansprechpartner bietet sich die Forschungsgemeinschaft für Philatelie und Postgeschichte Deutsche Einheit e.V. an. Ausführliche Informationen erhalten Sie von dem Leiter Herrn Heinrich Renneke, Sandgrubenweg 16 in 31311 Uetze-Hänigsen - Tel. 05147/8141. Es gibt hier aber auch weitere Arbeitsgemeinschaften die sich am Rande mit diesem Gebiet beschäftigen. Über die Forschungsgemeinschaft Deutsche Einheit können Sie auch eine umfangreiche Literaturliste zu diesem Gebiet erhalten.

 

Ergänzend zu diesem Thema vielleicht noch eine aktuelle Stempelmeldung:

 

Anläßlich des 10 Jahrestages der Maueröffnung der innerdeutschen Grenzen gibt es einen Sonderstempel in 39365 Marienborn, natürlich vom 9.11.1999

 

Sonderstempel Marienborn 9.11.19999 - 10. Jahrestag der Öffnung der innerdeutschen Grenzen
Sonderstempel Marienborn 9.11.19999 - 10. Jahrestag der Öffnung der innerdeutschen Grenzen